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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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enthüllte dahinter ein weiteres, kürzeres Stück Flur sowie zwei Türen ohne Kennzeichnung.
    »Da geht es zum Aktionsraum«, sagte Bernard, nickte hinüber zum linken Eingang, indem er die rechte Tür aufmachte. »Hier ist der Beobachtungsraum. Wir wollen beobachten, wie es läuft.«
    »Bleiben Sie draußen, Jake«, gab Thatcher Anweisung, und Jake stellte sich am Zugang auf, während wir eintraten. Beim Hineingehen sahen wir uns selbst uns entgegenkommen: Ein Spiegel, so hoch und breit wie der Raum, bildete die Trennwand zwischen Aktions- und Beobachtungsraum. Rechtwinklig zur Spiegelwand stand ein Eichentisch, dessen Stühle die Rücklehnen der Tür zukehrten. Dort erwarteten uns zwei Männer in langen, weißen Kitteln; ich vermutete, daß sie sich Ärzte schimpften. Sie drehten sich auf ihren Stühlen um und begrüßten uns.
    »Hallo, Frank«, sagte Bernard, schüttelte dem älteren der beiden, einem Endfünfziger mit rotem Stiernacken, die Hand. Pockennarben zerkraterten die Wangen des Mannes; sein weißes Haar enthielt noch genug Blondgelb, um leicht grünstichig zu wirken, als wäre es von Grünspan befallen. »Wie hält er sich? Klappt alles?«
    »Die Injektion ist vor zwanzig Minuten gespritzt worden«, sagte Frank. »Der optimale Wirkungszeitraum setzt in Kürze ein und wird anderthalb Stunden andauern.«
    »Solange werden wir wohl nicht brauchen.« Thatcher zog für mich einen Stuhl heran, um mir einen Platz zuzuweisen. »Jungs, das ist Joanna.«
    »Er hat Sie erwähnt«, meinte Frank zu mir. »Sie haben Eindruck auf ein unbeeindruckbares Gemüt gemacht.«
    »Das ist so ihre Art«, bemerkte Bernard.
    »Was ist das für Zeug, das hier gespritzt wird?« fragte ich.
    »Das lassen wir mal diese alten Junkies erklären. Medizinische Fachausdrücke klingen für meine Ohren häßlich. Also, Howard?«
    »Der Patient erhält vierhundertfünfzig Kubikzentimeter mit einer Spur Metalyserg vermischten Pentatlins«, erläuterte Howard, der jüngere Arzt. Etwas an ihm erinnerte mich an die Jungs, die ich am Gymnasium gekannt hatte, die im Biologieunterricht den Lehrern gerne dabei halfen, unsere eben getöteten Frösche auszuteilen. »Pentatlin gibt dem Patienten die Möglichkeit, sich in unbegrenzter Detailfülle auf verdrängte Gedächtnisinhalte zu besinnen, während die halluzinogenen Eigenschaften des Metalyserg ihm vortäuschen, ihm geschilderte Ereignisse geschähen im Augenblick ihrer Schilderung.«
    »Chemische Hypnose«, fügte Frank hinzu. »Wenn Sie ihm sagen, jemand hielte ein brennendes Streichholz an seinen Arm, entsteht dort eine echte Blase.«
    »Erzählt man dem Patienten tatsächliche Vorfälle aus seinem Leben, erzeugen die kombinierten Chemikalien in seinem Gehirn eine fortlaufende Scheinwirklichkeit ohne jeden Bezug zur wirklichen Umgebung.«
    »Besser als Fernsehen«, sagte Thatcher.
    »Und anschließend kommt es zu keinen unerwünschten Nebenwirkungen?« fragte Bernard.
    »Bisher sind keine festgestellt worden.«
    »Woran wollen Sie ihn sich zu erinnern zwingen?« fragte ich.
    »Wir erlauben es ihm«, berichtigte mich Bernard. Er hob von einem flachen Stoß Papiere auf dem Tisch einen Schnellhefter, entnahm ihm zwei Fotokopien von Zeitungsartikeln und reichte sie mir. Die Meldungen stammten aus dem Herald in Lexington, Kentucky; ihre Daten lagen zwanzig Jahre auseinander.
     
    ÄRZTE ERWARTEN ÜBERLEBEN DES
    WUNDERKINDS
     
    STAATSANWALT: LESTER ZEUGE IM PROZESS
    GEGEN EIGENE MUTTER
     
    »Schickt seine eigene Mutter in den Knast«, sagte Thatcher. »Was ist das bloß für eine Welt?«
    »Irgendwohin mußten sie sie ja stecken …«, merkte Bernard an.
    »Bitte erklären Sie mir, worum es da geht«, forderte ich ihn auf, warf die Fotokopien auf den Tisch.
    »Hat er Ihnen denn gar nichts erzählt?« fragte Bernard. »Sehen Sie jetzt, was ich mit seiner Neigung zur Geheimniskrämerei gemeint habe? Fast möchte ich von einem Fetisch sprechen.«
    »Eines schönen Tages wurde Lesters Mutter ein bißchen wirr in der Rübe«, sagte Thatcher.
    »Später bewog ihre Verstocktheit sie dazu«, erklärte Bernard, »sich weder schuldig zu bekennen noch sich auf verminderte Zurechnungsfähigkeit zu berufen. Sie verschliß drei Anwälte, bevor sie klein beigab. Der junge Macaffrey war der einzige Augenzeuge der Anklage, und sobald er sich von allem erholt hatte, eröffnete man den Prozeß. Er machte seine Aussage unter Ausschluß der Öffentlichkeit, in Anwesenheit nur der Anwälte und des Richters. Sie waren so

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