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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Graceland zugewandt war, die Route, auf der wir Memphis verließen, war als Elvis Presley Boulevard neubenannt worden, während ihr Namensgeber noch lebte. Ich überlegte, ob dieser Moment geeignet war, um darauf hinzuweisen und E zu informieren, warum wir ihn aufgesucht hatten; entschied aber unter den gegebenen Umständen, daß er vermutlich ebensowenig in der Stimmung zum Zuhören wie ich zum Reden war. Die Straße verengte sich, als wir die Stadt verließen; die zwei Spuren führten geradewärts immer tiefer nach Süden. Braune Kiefern und blattlose Laubbäume standen vereinzelt zwischen Tankstellen, Raststätten und Hütten, und ich erspähte den Interstate. Seine Mauer schwang sich auf unsere Straße zu, erhob sich etwa zweihundert Meter links von und parallel zu uns in den Feldern.
    »Wann können wir John losbinden?«
    »So heißt er?« fragte E. »Fahren Sie nur und machen Sie sich keine Sorgen. Hier drin ist es klimatisiert, er hat es bequem genug. Ist er wirklich Ihr Mann?«
    »Warum sollte ich lügen?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Er sieht zehn Jahre älter als Sie aus.«
    »Zwei.«
    »Ich sagte, so sieht er aus«, sagte E. »Kann nicht behaupten, daß ich Ihnen das abkaufe, Ma'am. Eine hübsche Frau wie Sie würde nicht so einen alten Knacker wie ihn heiraten.«
    »Spielen Sie nicht den Macho mit mir«, sagte ich. »Hat Ihre Mutter Ihnen etwas angetan?«
    »Lady, das ist einzig und allein meine Angelegenheit …«
    »Ich bin ein Teil Ihrer Angelegenheiten.«
    »Sie haben sich in meine Angelegenheiten eingemischt, als sie ohne anzuklopfen hereinspazierten«, sagte E. »Hat man Ihnen keine Manieren beigebracht?«
    »Manieren? Sie morden, und dann wollen Sie mir von gutem Benehmen erzählen …?«
    Ich bemerkte, daß sich sein Griff um die Waffe gelockert hatte – er schien wirklich fast vergessen zu haben, daß er sie hielt. Während der Fahrt danach zu greifen schien mir ein unsicheres Vorhaben, also versuchte ich es nicht. Ich sah ihn seitwärts an und ließ meinen Blick immer wieder zu seinen Augen zurückkehren; ich war mir fast sicher, daß er seine Wimpern mascaragetuscht hatte, wie der Elvis unserer Welt. Unzweiflig vermutete ich, daß er das Make-up seiner Mutter benutzt hatte.
    »Ich will nicht darüber sprechen«, sagte er. »Verdammte Frauen …«
    »Frauen? Sie sind am Leben, sie nicht.«
    »Mein Körper lebt«, sagte er. »Zum Teufel, Lady. Wenn jemand ständig auf einen einwirkt, was kann man da schon machen? Der Teufel beherrscht diese Welt, Sie sollten das wissen. Ein Mann kann die Dinge nur so nehmen, wie sie kommen.«
    »Sie reden, als hätten sie ein Drehbuch«, sagte ich. Es schien mir das beste, ihn weiter zu beschwichtigen und irrezuführen, um seine Aufmerksamkeit zu zerreden. Eine Möglichkeit hätte ich versuchen können, die John nicht zur Verfügung stand; aber ich konnte mir keine Bedingungen vorstellen, unter denen ich Verführung einsetzen könnte. Ich erinnerte mich, so gut ich konnte, an meine Jugendzeit, als Judy und ich anderen unseren Willen aufzudrängen versuchten, und an die Techniken, die ich schon fast vergessen hatte. »Sie mißassoziieren die Schuld. Kein Teufel hat Ihre Mutter getötet.«
    »Sie verstehen's nicht?« fragte er. »Sind Sie Christin?«
    »Was sind Sie?« gab ich als Antwort.
    »Verdammt«, sagte er mit so melodramatischer Intonation, wie nur ein Teenager es konnte. »Da kann ich ja gleich gegen eine Wand reden.«
    Die Straße führte durch offenes Land an flachen Feldern zur Rechten vorbei; die Flußebene mußte ein unübersehbares Stück dahinter liegen. Die Interstatemauer rollte linkswärts weiter wie zuvor. Hohe Eichen und staksige Kiefern schossen an Parkplatzrändern hoch. Sechs kleine Schilder, die nicht größer als Bretter waren, folgten in kurzen Abständen hintereinander, jedes war mit weißgeletterten Schriften auf einer sonnengebleichten roten Fläche beschriftet: EIN GLAMOURGIRL / WERDEN SIE NIEMALS KRIEGEN / MIT EINEM SCHNURRBART / WIE DER EINES BOLSCHEWIKEN / BURMA SHAVE.
    »Was ist Burma Shave?« fragte ich. »Ein Kunstprojekt?«
    »Lady, Sie machen mich fertig!« sagte E lächelnd, als würde er mich mögen. »Sagen Sie mir, woher Sie wirklich kommen.«
    »New York, wie gesagt. Das ist doch die Zeitung aus unserer Stadt, richtig?«
    »Sieht so aus«, sagte er und schlug die Mirror-Seiten auf. Wie locker er auch die Waffe hielt, sie blieb immer auf ihr Ziel gerichtet. »Ich habe schon Leute aus New York reden gehört. Sie klingen

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