Ambler by Ambler
Pietro, und der Jeep vor uns wurde von einer 88 er Granate getroffen. Die Insassen wurden in die Luft geschleudert, und für einen kurzen Moment wandte Jules, der am Steuer saß, den Blick von der Straße. Wir befanden uns unmittelbar vor einer der provisorisch reparierten Brücken. Anstatt hinüberzufahren, erwischten wir die T-Träger etwas schräg und saßen dann fest.
John beugte sich zu Jules hinüber und sagte leise, mit mehr oder weniger diesen Worten: »Na schön, du dreckiges Arschloch, bleib ganz ruhig. Fahr zurück, du verdammter Hurensohn, ganz ruhig.« Es folgte ein Schwall von Flüchen, die sich auf Jules’ Religion, auf seine Eltern und auf seine persönlichen Eigenheiten bezogen.
Jules behielt die Nerven und brachte uns sicher den Berg hoch. David MacDonald und seine Leute lagen noch immer an dem Hang und winkten uns abermals herzlich zu.
In Venafro am Abend fragte ich, auf wessen Seite wir eigentlich kämpften – für die Alliierten oder für die Redaktion des ›Stürmers‹. Für einige der unverzeihlicheren Dinge, die John gesagt hatte, bat er Jules um Vergebung. Sie wurde ihm natürlich gewährt. Jules war der einzige von uns, der den ganzen Tag die Nerven behalten hatte.
Im Stab hieß es, die Fünfte Armee würde als nächstes direkt nach Cassino vorrücken. Wir beschlossen, hinunter zu den Olivenhainen zu fahren und zu sehen, was passierte. Wir sahen aber bloß einen General Clark, der in der einen Hand eine Karte hielt und mit der anderen in Richtung Cassino zeigte. Nachdem die Fotos gemacht waren, gab er die Karte wieder einem Adjutanten und wurde in entgegengesetzter Richtung weggefahren.
Es erschien mir, als hätten wir dem alten Mann in San Pietro und seinen Töchtern nichts zu sagen, was gefilmt werden müßte. Sicherlich hoffte er, der nächste Trupp alliierter Offiziere, der seine Gastfreundschaft in Anspruch nähme, werde Süßigkeiten für seine Kinder und eine ganze Stange Zigaretten dabeihaben anstelle einer angebrochenen Schachtel Camel. In der Zwischenzeit würde er ein paar zusätzliche Rationen gut gebrauchen können. John wollte jedoch nicht mit leeren Händen den Rückzug antreten. Er mußte wissen, was Oberst Capra in Washington dachte. Das Problem war nur, wie man ihn fragen konnte, ohne den offiziellen Dienstweg zu nehmen und zu riskieren, daß man Oberst Gillette verärgerte. John fand eine Lösung. Wir fuhren zu einem amerikanischen Flugplatz in der Nähe von Neapel. Im dortigen Lufttransportkommando saßen Freunde von John, die einen Brief nach Washington mitnehmen würden. Für diesen Brief brauchte John den ganzen Tag.
Nachdem wir den Brief abgeliefert hatten, fuhren wir nach Neapel. Den Abend verbrachten wir mit Humphrey Bogart, der mit seiner ersten Frau als Truppenentertainer dorthin entsandt worden war. Wir tranken reichlich. Mrs. Bogart schrie offenbar oft. Vielleicht hatte sie einen Grund. Die zweite Hälfte der Nacht verbrachten John, Jules und ich dösend in einem Zimmer der Bogartschen Suite. Die Installation dort war alles andere als leise.
Am nächsten Morgen schlug ich vor, nach Positano zu fahren und im ›Caffè Rispoli‹ etwas zu essen. Die Buca di Bacco existierte noch, aber es gab keine Fischerboote und statt der offenen Gräben gab es Rohrleitungen. Giulio war zum Zeitpunkt der Kapitulation Italiens irgendwo oben im Norden in Gefangenschaft geraten, aber man nahm an, daß es ihm gut ging. Eine Rispoli-Tante sagte mir, John French habe sie in der Woche zuvor besucht. Er war Abwehroffizier in der Achten Armee.
Ich weiß nicht, wie Frank Capra auf John Hustons Brief antwortete. Wahrscheinlich ließ er ihm ausrichten, er solle das machen, was mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eben möglich sei. John und Jules drehten daraufhin einen Kurzfilm mit dem Titel Die Schlacht von San Pietro . Das meiste davon waren nachgestellte, recht impressionistische »Kampf«-Szenen. Eine Sequenz war allerdings sehr beeindruckend. Man sah einen Trupp, der nach einem der so verlustreichen Frontalangriffe die Gefallenen bestattet. Die Toten wurden mit einem auffallenden Mangel an Zeremoniell in Armeeschlafsäcke gesteckt und in flache Gräber geworfen. Anschließend wurden zur Kennzeichnung der Stellen gi -Kreuze in den Boden geschlagen.
Der Film wurde vom US -Kriegsministerium verboten. Genauer gesagt: verboten wurde jegliche Vorführung dieses Films an Orten, wo Angehörige von gi s ihn sehen könnten, solange sich amerikanische Soldaten noch in
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