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Ambler by Ambler

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Titel: Ambler by Ambler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler by Ambler
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Suche nach einem Abenteuer.
    Die Gefahr, daß mein Vater zur Armee mußte, bestand während des Krieges überhaupt nur einmal, als ältere Jahrgänge eingezogen wurden. Doch schon diesmal scheiterte er an der ärztlichen Untersuchung. In diesem Krieg galt bereits als untauglich, wer eine Brille tragen mußte. Mein Vater wurde schließlich als Hilfspolizist registriert und war froh, als man ihm eine halbwegs passende Uniform gab. Er hat sie aber nicht oft getragen. Tagsüber war er einer der leitenden Angestellten der Fabrik in Silvertown, die nunmehr Gummireifen, Elektrokabel und Telegrafenausrüstung für die Armee produzierte. Abends traten er und meine Mutter als Entertainer auf, anfangs zumeist in den Heeres- und Marinehospitälern. Je nach Dienstplan wurde das Marionettentheater vom Miller Hospital in Greenwich zum Herbert Hospital gekarrt und von dort zum Brook Hospital in Woolwich. Und als The Harmoniques sich allmählich einen Namen gemacht hatten, erhielten die Lazarettgeistlichen und das Personal Anfragen von cvjm -Abteilungen und militärischen Dienststellen außerhalb Londons, denen die Truppenbetreuung oblag.
    1915 war inzwischen selbst den höchsten englischen Offizieren an der Westfront klargeworden, daß zur Aufrechterhaltung der militärischen Tugenden von Armeen, die in den neuartigen Stellungskrieg verwickelt waren, mehr benötigt wurde als regelmäßige Verpflegung, Schlaf und Gottesdienstbesuch. Beispielsweise war festgestellt worden, daß ein wechselndes Angebot von leichten Unterhaltungsprogrammen sich günstig auf die Verfassung der Männer auswirkte, die in den Schützengräben kämpfen mußten. In Frankreich und Flandern wurde das Divisionskonzert eine beliebte Einrichtung und ein Refugium für mancherlei Bühnentalent. In England aber, wo körperliche und geistige Gesundheit nicht unmittelbar gefährdet waren, überließ man die Truppenbetreuung fast ausschließlich Amateuren und ausgedienten Profis. Wer von den konkurrenzfähigen Profis nicht beim Militär war, hatte einen Vollzeitvertrag an irgendeiner Bühne. Wenn man damals beim Militär war, noch dazu in einem abgelegenen Camp irgendwo in England vielleicht, dann konnte man heilfroh sein, wenn man am Samstagabend in der cvjm -Kantinenbaracke bloß ein Programm des örtlichen Gesangvereins geboten bekam oder die Gattin eines Obersten »Pale Hands I Love« vortrug. Die ausgedienten Profis konnten ungeheuer deprimierend sein. Ich weiß noch, wie mein Vater sich über einen älteren Schauspieler aus Nordengland beklagte, der immer dann, wenn er meinte, jetzt müßte mal wieder gelacht werden, mit seinem Gebiß in der Luft herumwedelte und dabei »Ach du heiliger Strohsack!« rief.
    »Es wäre ja gar nicht so schlimm«, sagte mein Vater, »wenn er nicht dastehen und auf donnernden Applaus warten würde, als hätte er ihn verdient. Diesen Leuten war es doch egal, ob er es aus lauter Vaterlandsliebe machte oder nicht. Neulich abend wurde er fast ausgepfiffen. Ich habe gehört, wie drei oder viermal dazwischengejohlt wurde, und zwar nicht gerade von ganz hinten.«
    »Es ist eine Schande«, sagte meine Mutter, »die Offiziere hätten es verbieten sollen.«
    »Die Offiziere haben sich gehütet. Diese Soldaten da gehörten zu den Leuten, denen es egal ist, wen sie zur Schnecke machen. Von ihrer Sorte wird es noch viel mehr geben, wenn der Krieg noch lange weitergeht.«
    Er hatte recht. Die Soldaten wurden ein immer anspruchsvolleres Publikum. Wenn ich es auch für unwahrscheinlich halte, daß Reg und Amy jemals ausgepfiffen wurden, so erlebten andere Mitglieder von The Harmoniques doch demütigende Auftritte. 1917 löste mein Vater diese Truppe auf und stellte mit talentierteren Leuten eine neue Truppe mit dem Namen The Whatnots zusammen. Wirklich gute Artisten* brauchten nie zu befürchten, ausgepfiffen zu werden. Einmal wagte ich es, meine Mutter zu fragen, was für Leute denn ausgepfiffen würden und wie das genau vor sich ging.
    Sie preßte die Lippen zusammen und überlegte lange, ehe sie entschied, daß ich keine persönliche Frage gestellt hatte. Dann sagte sie, daß Bühnensänger, die falsch sängen, das Publikum manchmal verärgerten und keinen Applaus bekämen. Sie glaubte, daß ein wenig zu hoch zu singen irritierender war als ein wenig zu tief. Schon Kleinigkeiten könnten alles auslösen, ein Zuschauer etwa, der etwas angetrunken und unruhig war. Am schlimmsten sei es immer dann gewesen, wenn Schauspieler nicht ankamen und dies am

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