Ambler-Warnung
denselben ärgerlichen Refrain, Variationen zum Thema Verneinung.
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ÜBER »HARRISON AMBLER« LIEGEN KEINE UNTERLAGEN VOR.
HARRISON AMBLER nicht gefunden.
Eine halbe Stunde später hatte er weitere neunzehn Datenbanken von Bundes- und Staatsbehörden abgefragt. Immer vergebens. Es war, als hätte er nie existiert.
Wahnsinn!
Wie ein in der Ferne erklingendes Nebelhorn drangen die Stimmen verschiedener Psychiater auf Parrish Island mit ihren Fehldiagnosen wieder an sein Ohr. Das war natürlich Unsinn - alles Unsinn. Es konnte nicht anders sein. Er wusste genau, wer er war. Die Erinnerung an sein Leben bis zu seiner Einlieferung war lebhaft, klar und lückenlos. Gewiss, er hatte – in einem ungewöhnlichen Beruf gefangen – ein ungewöhnliches Leben geführt, aber er hatte nur dieses eine Leben. Irgendwo musste es ein Durcheinander, einen technischen Fehler gegeben haben, davon war er überzeugt.
Er tippte rasch eine weitere Anfrage, die jedoch wieder mit einem negativen Ergebnis quittiert wurde. Und er begann sich zu fragen, ob Gewissheit zu einem Luxus geworden war. Zu einem Luxus, den er sich nicht mehr leisten konnte.
Ein weißer Wagen ... nein, ein Van, der zu schnell fuhr, schneller als der Verkehrsstrom, kam plötzlich in Sicht. Und dann noch einer. Und ein dritter, der direkt vor dem Café hielt.
Wie war er so schnell aufgespürt worden? Das Internetcafé musste die IP-Adresse seines privaten Netzwerks angegeben
haben, und wenn der Name Ambler in der Datenbank des Außenministeriums einen Alarm ausgelöst hatte, musste seine Suche eine Gegensuche aktiviert haben, die den realen Standort des TCP/IP-Netzwerks, das er benutzte, geliefert hatte.
Ambler sprang auf, verschwand durch eine Tür mit der Aufschrift Nur für Personal und rannte die Treppe hinauf – hatte er Glück, würde er aufs Dach und von dort aufs Dach eines Nachbarhauses gelangen ... Aber er musste sich beeilen, bevor das Abholteam ganz in Position war. Und während seine Muskeln pumpten und er gierig nach Luft zu schnappen begann, ging ihm ein flüchtiger Gedanke durch den Kopf. Hinter wem sind sie her, wenn Hai Ambler nicht existiert?
Kapitel drei
Sein Zufluchtsort, das war es immer gewesen. Ein Blockhaus mit einem einzigen Raum, ausschließlich aus einheimischem Holz vom Firstbalken bis hinunter zu den Dielenbrettern. Als Unterkunft war es fast so urzeitlich wie die Natur, die es umgab. Wände, Decke und Fußboden, den Dachstuhl und sogar den mit Zweigen verstärkten Lehmkamin hatte er in einem warmen, mückenreichen Juni mit wenig mehr als einem Stapel Holz und einer Motorsäge errichtet. Das Blockhaus war für nur eine Person gedacht, und er hatte es nie mit jemandem geteilt. Er hatte auch nie jemandem davon erzählt. Obwohl das ein Verstoß gegen die Vorschriften war, hatte er seinen Vorgesetzten nicht angezeigt, dass er das Grundstück am See gekauft hatte – zum noch besseren Schutz seiner Privatsphäre von einem anonymen Offshore-Immobilienmakler. Das Blockhaus gehörte ihm und nur ihm allein. Und es hatte Zeiten gegeben, als er auf dem Dulles International Airport angekommen war und keinen Menschen mehr hatte sehen wollen; dann war er schnurstracks zu seinem Holzhäuschen hinausgefahren, hatte die hundertachtzig Meilen in nur drei Stunden zurückgelegt. Dort fuhr er dann mit dem Boot hinaus, um Schwarzbarsche zu angeln und zu versuchen, wenigstens einen Teil seiner Seele aus dem Labyrinth aus List und Täuschung zu befreien, das sein Beruf war.
Der Aswell-See verdiente es kaum, auf einer Karte blau eingezeichnet zu werden, aber dies war ein Teil der Welt, der sein Herz höher schlagen ließ. In diesem Gebiet am Fuß der Sourland
Mountains gingen landwirtschaftlich genutzte Flächen in bewaldetes Gelände über, und sein Blockhaus war von Weiden, Birken und Walnussbäumen mit stellenweise dichtem Unterholz umgeben. Im Frühjahr und Sommer war alles üppig belaubt, und es gab Blumen und später Beeren. Jetzt, im Januar, waren die meisten Bäume grau und kahl. Trotzdem besaß alles eine gewisse düstere Eleganz: die Eleganz des Potenzials. Wie er selbst brauchte das Waldland eine Ruheperiode, um sich erholen zu können.
Er war todmüde – der Preis für lange Stunden äußerster Wachsamkeit. Begonnen hatte er seine Fahrt mit einem Dodge Ram, einem alten blauen Minivan. Ein schwerfälliger, unübersichtlicher Wagen, der sich nur dadurch empfahl, dass sein Besitzer im vorderen Radkasten
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