Ambler-Warnung
wahrscheinlich eine modifizierte ATM Lightning, ein Modell mit Klappkolben, das für Scharfschützen entwickelt worden war.
Mit einem lauten Knall schoss er eine weitere Kugel ab; Ambler, der ein paar Sekundenbruchteile bevor der Mann den Abzug drückte, erkannte, dass er dies beabsichtigte, trat wie wild Wasser, um sich aus der Schusslinie zu bringen. Wieder tauchte er beinahe bis zum Beckenboden.
Alles kam auf das richtige Timing an. Er hatte fünf oder sechs Sekunden Zeit, bis der Chinese wieder schussbereit war. Würde er es schaffen, den Betonpfeiler rechtzeitig zu erreichen? Und falls ja, was sollte er dann tun?
Er hatte keine Zeit, vorauszuplanen. Er musste im Moment leben, um den Moment zu überleben. Er hatte keine Wahl. Jetzt!
Das waren keine Schmerzensschreie, entschied Kevin McConnelly, sondern Entsetzensschreie. Er war dicklich und außer Form – der Spiegel log leider nicht –, aber seine fünfzehn Jahre Berufserfahrung als MP hatten seinen Überlebensinstinkt geschärft. Er steckte den Kopf durch die Tür zu Le Centre Nautique, wie auf dem Schild am Eingang zum Swimmingpool hochtrabend verkündet wurde, und trat sofort wieder einen Schritt zurück. Das war ein Profi, der mit einer seltsam aussehenden paramilitärischen Waffe schoss. Mit einer Faustfeuerwaffe konnte er es mit so einem Typen nicht aufnehmen.
Er rannte zurück in die Umkleidekabinen und sah sich verzweifelt um. Er schwitzte, sein Magen krampfte sich zusammen, und plötzlich fiel ihm wieder ein, warum er damals bei der Militärpolizei aufgehört hatte. Aber er musste etwas tun, und außer ihm war niemand da.
Aber was?
McConnelly hielt sich selbst nicht für besonders schlau, aber im Nachhinein musste er zugeben, dass er wirklich sehr klug gehandelt hatte. Er suchte die Hauptsicherung für den Poolbereich und schaltete alle Lichter aus. Tintenschwarze Dunkelheit senkte sich über die Schwimmhalle. Es wurde seltsam ruhig, während alle Ventilatoren und Motoren langsam zum Stillstand kamen. Eine Stille, die erst deutlich machte, dass vorher ein gewisser Geräuschpegel geherrscht hatte. Ihm war klar, dass er dem Schützen so die Flucht ermöglichte, aber darauf kam es nicht an. Das Wichtigste war, dass dieser Verrückte aufhörte zu schießen. Und im Dunkeln schoss
schließlich niemand, oder? Jetzt musste er nur noch eine Taschenlampe auftreiben.
Er hörte, wie jemand schnell auf ihn zueilte. Instinktiv streckte er ein Bein aus und ließ die Gestalt stolpern.
Der Läufer knallte direkt in die Umkleidekabinen. McConnelly schaltete das Licht wieder ein und sah, dass es ein ungefähr ein Meter achtzig großer Mann in Badehosen war. Kurzes braunes Haar, ein muskulöser, durchtrainierter Körper, wahrscheinlich Ende dreißig, Anfang vierzig. Ein schwer zu schätzendes Alter, wenn jemand sich in Form gehalten hatte.
»Was zum Henker soll das?« Der Mann starrte ihn wütend an und massierte sich die schmerzende Schulter.
Nicht der Schütze. Wahrscheinlich sein Zielobjekt.
McConnelly sah sich suchend um. Keine Spur von dem Schützen. Keine Spur von der Waffe.
Der Verbrecher war vom Tatort geflüchtet, das wussten sie beide. McConnelly verspürte Erleichterung.
»Wir gehen wie folgt vor ...« McConnelly sagte diesen Satz gern. Er verkörperte die Stimme der Autorität und wirkte auch bei den schlimmsten Taugenichtsen erstaunlich gut. »Ich rufe jetzt die Polizei. Sie sollen sofort kommen und das Gebiet absichern. Und dann werden Sie denen und mir genau erklären, was da drinnen vorgegangen ist.« Er stemmte die Hände in die Hüften. Dadurch verschob sich seine Jacke so, dass man seinen Pistolengurt sah.
»Ach, so gehen wir also vor.« Der Mann ging schnurstracks zu seinem Schließfach, rubbelte sich die Haare mit einem Handtuch trocken und zog sich seine Straßenkleidung an.
»Genau so ist es«, sagte McConnelly, der ihm gefolgt war, gelassen.
Dann geschah etwas Seltsames: Der Mann erblickte sein Spiegelbild in dem großen Spiegel an der Wand und wurde
plötzlich so bleich, als habe er einen Geist gesehen. Einen Moment später drehte er sich weg und holte tief Luft.
»Rufen Sie eine Boulevardzeitung an«, sagte der Mann brüsk. »Ich will denen erzählen, was hier passiert ist. >Schusswechsel im Plaza-Pool<. Die Schlagzeile schreibt sich beinahe von selbst.«
»Das ist nicht nötig«, sagte McConnelly, dem es eiskalt durch die Glieder fuhr. Er freute sich nicht besonders darauf, den Vorfall den Hotelmanagern zu melden.
Weitere Kostenlose Bücher