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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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ihnen die Porträts für ein paar Francs anzudrehen.«
    »Dein Weg zu Reichtum und Ruhm?«
    »Leider musste ich schon bei der ersten Ausfahrt abbiegen. Die Leute regten sich wahnsinnig auf, wenn sie meine Bilder sahen.«
    »Hast du sie so schlecht getroffen?«
    »Daran lag es nicht.« Er schwieg einen Moment. »Mein Gott, an diese Zeit habe ich schon seit Jahren nicht mehr gedacht. Ich verstand erst nach einer Weile, was das Problem war. Die Art, wie ich diese Leute sah, war nicht unbedingt die Art, wie sie gesehen werden wollten. Irgendwie wirkten die Leute auf meinem Skizzenblock immer verängstigt, von Zweifeln zerfressen oder hoffnungslos. Und vielleicht waren sie das ja auch. Aber dieser Wahrheit wollten sie nicht ins Auge sehen. Oft erschraken sie richtig oder wurden wütend. Wenn ich ihnen die Skizze gab, drehten sie beinahe durch. Sie zerknüllten das Papier, zerrissen es in kleine Fetzen und warfen es dann in den Müll. Als wären sie abergläubisch. Als wollten sie nicht, dass jemand dieses Bild sah und dadurch ihre Seele erkannte. Damals verstand ich natürlich noch nicht wirklich, was in ihnen vorging.«
    »Verstehst du, was gerade mit dir passiert?«
    Er starrte sie an. »Hast du manchmal das Gefühl, dass du nicht weißt, wer du wirklich bist?«
    »Wie wär’s mit andauernd?«, antwortete sie. Ihre Luchsaugen zogen ihn in ihren Bann.
    »Was haben sie mit dir gemacht?«
    Er reagierte mit einem schwachen, gequälten Grinsen. »Das willst du gar nicht wissen.«

    »Was haben sie mit dir gemacht?«, wiederholte sie. Jetzt legte sie ihre Hand auf seine, und die Wärme ihrer Berührung breitete sich in seinem ganzen Arm aus.
    Langsam und stockend erzählte er ihr, dass er aus allen Datenbanken und elektronischen Archiven getilgt worden war, und schilderte dann in groben Zügen alles, was Osiris ihm gesagt hatte. Sie hörte ihm aufmerksam zu. Ihre Gelassenheit war ansteckend.
    Schließlich sagte sie: »Willst du wissen, wie ich darüber denke?«
    Er nickte.
    »Ich glaube, sie haben versucht, dich in der Klinik in den Wahnsinn zu treiben. Nein, ich bin mir sogar sicher. Mit Drogen und Elektroschocks und Gott weiß was sonst noch. Aber ich glaube nicht, dass man eine Persönlichkeit vollkommen verändern kann.«
    Leise sagte er: »Als ich ... drinnen war ... habe ich eine Aufnahme gehört. Eine Aufnahme meiner Stimme.« Er beschrieb sie tonlos.
    »Woher willst du wissen, ob das wirklich du warst?«
    »Ich ... weiß es eben«, sagte er verunsichert.
    Laurel ließ sich nicht beirren. »Das lässt sich alles erklären.«
    »Erklären? Und wie?«
    »Ich habe in der Schwesternschule einen Kurs in Pharmakologie belegt«, sagte Laurel. »Ich hole kurz mein Lehrbuch, dann zeige ich es dir.«
    Ein paar Minuten später kehrte sie mit einem dicken Buch zurück, dessen kastanienbraunen Einband goldene Lettern zierten. »Die Art Psychose, die du beschrieben hast, könnte durch Drogen verursacht worden sein.« Sie blätterte zu einem Kapitel über anticholinerge Medikamente vor. »Sieh
mal, in dem Abschnitt über Symptome von Überdosierung steht, dass Anticholinergika Psychosen auslösen können.«
    »Aber ich kann mich nicht daran erinnern. Weder an die Psychose noch an irgendwelche Medikamente.«
    »Vielleicht haben sie die Anticholinergika mit einem Medikament wie Versed kombiniert.« Sie durchblätterte die hauchdünnen Seiten. »Hier haben wir’s.« Sie deutete auf eine fett gedruckte Passage. »Medikamente wie Versed können die Erinnerungsbildung beeinträchtigen. Man warnt davor, dass sie >anterograde Amnesie< auslösen – was bedeutet, dass man sich an nichts, was auf die Injektion folgt, erinnern kann. Ich will dir nur zeigen, dass man dir mit dem richtigen Drogencocktail eine psychotische Phase verpasst haben könnte, ohne dass du dich daran erinnerst. Du warst vielleicht wirklich ein rasender Verrückter, aber nur für ein paar Stunden ...«
    Ambler nickte langsam. Die Härchen in seinem Nacken stellten sich vor Erregung auf.
    »Und dann nehmen sie dich in diesem Zustand auf Band auf«, fuhr sie fort, »und tun so, als wärst du verrückt. Versuchen dir einzureden, du seiest verrückt. Ich weiß zwar nicht, warum, aber sie hatten bestimmt ihre Gründe.«
    Sie hatten bestimmt ihre Gründe.
    Die wichtigsten Fragen – Wer? Warum? – gähnten wie ein unendlich tiefer Abgrund vor ihm. Wer zu lange in ihn hinabsah, würde zerstört werden. Es war anstrengend genug, erst einmal die Frage, was ihm passiert

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