Ambler-Warnung
hier?«, fragte sie. Ihr Körper erstarrte. »Willst du dafür sorgen, dass ich bestraft werde?«
»Um Himmels willen nein!«
»Warum zum Teufel dann?«
»Weil ...« Ambler versuchte, seine kreisenden Gedanken zu ordnen. »Vielleicht weil ich Angst habe, dass ich doch verrückt bin. Und weil du der einzige Mensch bist, der mit mir umgeht, als wäre ich bei Verstand.«
Laurel schüttelte langsam den Kopf, aber er merkte, dass ihre Angst allmählich nachließ. »Du willst von mir hören, dass du kein Psychopath bist? Ich halte dich nicht für einen Psychopathen. Aber meine Meinung spielt keine Rolle.«
»Für mich schon.«
»Willst du einen Kaffee?«
»Wenn es keine Umstände macht«, sagte Ambler.
»Ich habe nur löslichen Kaffee.«
»Je schneller, desto besser.«
Sie sah ihn lange und abschätzend an. Wieder einmal fühlte sich Ambler, als blicke sie durch ihn hindurch, in seinen inneren Wesenskern, der nicht verrückt war.
Sie setzten sich und tranken zusammen ihren Kaffee, und plötzlich wusste Ambler, warum er hierher gekommen war. Sie strahlte eine Wärme und Menschlichkeit aus, nach der er sich verzweifelt sehnte. Die er so dringend brauchte wie Sauerstoff. Osiris’ Bericht über mnemonische Überlagerung – und das Waffenarsenal, mit dem man das menschliche Bewusstsein angreifen konnte – hatte ihn zutiefst erschüttert. Ihm war, als habe er den Boden unter den Füßen verloren. Und der ebenfalls erschütternde gewaltsame Tod des Mannes nur wenige Minuten nach seiner Erklärung verlieh seinen Worten noch mehr Autorität.
Andere wollten ihn offenbar als Geheimagenten anheuern, aber Laurel Holland war die einzige Person auf der ganzen Welt, die aus unerfindlichen Gründen an ihn glaubte. So, wie er an sich glauben wollte. Eine schmerzliche Ironie: Eine psychiatrisch ausgebildete Krankenschwester, die ihn am absoluten Tiefpunkt erlebt hatte, war die einzige Zeugin dafür, dass er nicht verrückt war.
»Wenn ich dich ansehe«, sagte sie langsam, »habe ich das Gefühl, mich selbst zu sehen. Ich weiß, dass wir uns überhaupt nicht ähnlich sind.« Sie schloss einen Moment lang die Augen. »Aber irgendetwas haben wir gemeinsam. Ich weiß nur nicht, was das ist.«
»Du bist mein sicherer Hafen im Sturm.«
»Manchmal glaube ich, Häfen heißen Stürme willkommen«, sagte die Krankenschwester.
»Weil die Not der Tugend Sinn verleiht?«
»Vielleicht«, erwiderte sie. »Apropos Sturm, er war bei Desert Storm.«
»Dein Ex.«
»Mein Exmann, der Ex-Marine. Ex-Marine zu sein, definiert einen Menschen beinahe vollständig. Die Erinnerung lässt dich nie mehr richtig los. Genauso wenig konnte er vergessen, was er im Krieg erlebt hat. Und was bedeutet das alles? Ziehe ich Arger einfach magisch an?«
»Er war noch nicht traumatisiert, als du ihn kennengelernt hast, nicht wahr?«
»Nein, damals nicht. Das ist lange her. Aber er wurde an die Front geschickt, leistete zwei Einsätze direkt hintereinander ab und kehrte als anderer Mensch zurück.«
»Und zwar nicht zum Guten verändert.«
»Er trank viel zu viel. Ein- oder zweimal hat er mich geschlagen.«
»Auch das ist viel zu oft.«
»Für mich war es zu oft. Ich habe versucht, ihn zu erreichen, als wäre er im Innersten nur ein verletzter kleiner Junge, dem ich helfen könnte. Wenn ich ihn nur genug liebte. Ich habe ihn geliebt. Und er hat mich auch geliebt. Er wollte mich unbedingt beschützen. Er wurde paranoid, sah hinter jeder Ecke Feinde lauern. Aber er hatte auch um mich Angst, nicht nur um sich. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass ich nur vor ihm Angst haben musste. Die Pistole da an der Wand hat er für mich aufgehängt, er bestand darauf, dass ich lerne, damit umzugehen. Meistens vergesse ich, dass das Ding da hängt. Aber früher wollte ich mich manchmal damit schützen.«
»Vor ihm.«
Sie schloss die Augen und nickte verlegen. Sie schwieg
einen Augenblick. »Ich sollte furchtbare Angst vor dir haben. Aber ich habe keine Angst, warum, weiß ich nicht. Es macht mir beinahe Angst, dass ich mich nicht vor dir fürchte.«
»Du bist wie ich. Du folgst deinen Instinkten.«
Sie breitete die Arme aus. »Tja. Und schau, wo ich dadurch gelandet bin.«
»Du bist ein guter Mensch«, sagte Ambler einfach. Ohne nachzudenken, streckte er die Hand aus und legte sie auf ihre.
»Sagt dir das dein Instinkt?«
»Ja.«
Die Frau mit den grün gefleckten Haselnussaugen schüttelte nur den Kopf. »Erzähl mal. Gibt es in deiner Familie auch
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