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Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes

Titel: Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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krümelte an den Kanten. Die schwarze Schrift hob sich sehr gut von dem Braun ab. Manche Worte waren in roter Tusche geschrieben, die jedoch zu einem fahlen Rostbraun verblaßt war. Natürlich konnte ich nichts von der Schrift entziffern, doch ein paar Vögel ließen sich klar erkennen.
    »Walter, kannst du das lesen?« wollte Emerson wissen.
    »Sie werden doch nicht behaupten wollen, daß Master Walter dieses Gekritzel lesen kann?« fragte Lucas erstaunt.
    »Master Walter«, erklärte Emerson trocken, »ist einer der besten Kenner alter Sprachen der ganzen Welt. Ich verstehe ein bißchen was davon, aber ich bin in erster Linie Ausgräber. Walter ist Philologe. Nun, Walter?«
    »Übertreib nicht, Radcliffe«, warnte Walter. »Diesen Papyrus muß ich Frank Griffith zeigen. Er ist jetzt bei Petrie in Naucratis. Ein paar Zeilen kann ich jedenfalls lesen. In dieser Schrift wurden Dokumente geschrieben, weil die Hieroglyphen für ein vielbeschäftigtes Königreich viel zu mühsam waren. Das hier sind also die vereinfachten Hieroglyphen. Dieses Wort hier bedeutet zum Beispiel ›Schwester‹, doch es wurde auch für ›Zärtlichkeit‹ gebraucht.«
    »Ja, ein Liebhaber hat seine Liebste als ›Schwester‹ angesprochen«, bekräftigte Emerson. »Sie ihn als ›Bruder‹. Und das hier scheint ein Gedicht zu sein.«
    »Großartig!« rief Lucas. »Können Sie’s lesen?«
    »Ein paar Zeilen … Sie hätten das Pergament nicht aufrollen sollen, denn dadurch wurde es ernstlich beschädigt. Hier, das heißt so:

    Ich gehe mit dir hinab zum Wasser
    und kehre zu dir zurück mit einem roten Fisch,
    der schön ist auf meiner Hand.

    Dann sind die Liebenden am Fluß oder an einem Teich. Dort lassen sie sich vom kühlen Wasser umschmeicheln … Und hier geht es lesbar weiter:

    Die geliebte Schwester weilt auf der anderen Seite,
    und breites Wasser trennt uns.
    Ein Krokodil wartet auf der Sandbank.
    Doch ich gehe ins Wasser und schreite auf den Wellen.
    Mein Herz ist tapfer in den Fluten,
    denn ihre Liebe macht mich stark. «

    Ich weiß nicht, was mich mehr beeindruckte, die anmutige Zartheit des Gedichtes oder das Können des bescheidenen jungen Mannes. »Wie schön ist es doch, zu wissen, daß solche Gefühle so alt sind wie die Menschheit!« rief ich begeistert.
    »Ich finde es ausgesprochen verrückt«, warf Lucas ein. »Ein junger Mann, der ins Wasser springt, das von Krokodilen wimmelt, verdient es nicht besser, als daß er aufgefressen wird.«
    »Das Krokodil ist ein Symbol für die Gefahren, die ein wahrer Liebender für eine Geliebte auf sich nimmt«, erklärte ich ihm ziemlich ungehalten und erhielt dafür Walters Beifall und Lächeln.
    »Es ist ein Risiko, die alten Ägypter enträtseln zu wollen, Peabody«, bemerkte Emerson brummig. »Wahrscheinlich hat der junge Mann mit den Krokodilen nur geprahlt, denn kein vernünftiger Bursche würde sich freiwillig in eine solche Gefahr begeben.«
    Ich wollte etwas darauf sagen, aber Evelyn begann schrecklich zu husten.
    Inzwischen war es auch schon fast Abend geworden, und es gab dann einen der prächtigsten Sonnenuntergänge, die wir je erlebt hatten. Breite blutrote und purpurfarbene Bänder waren von durchsichtig blauen, gold und kupferfarbenen durchzogen, und diese Farben glichen eindeutig denen von alten ägyptischen Keramiken. Aber diese Pracht hatte etwas Drohendes an sich. Plötzlich stand Michael neben mir, den ich den ganzen Tag über nicht gesehen hatte. Er müsse unbedingt mit mir sprechen, erklärte er.
    »Aber erst nach dem Essen«, bestimmte Lucas. »Michael, du wirst nicht gebraucht. Meine Diener tragen die Mahlzeit auf. Miß Peabody wird später mit dir sprechen.«
    »Lucas, das geht wirklich nicht«, protestierte ich, als Michael außer Hörweite war. »Ich lasse es nicht zu, daß Sie meinen Diener kränken.«
    »Ah, wenigstens ist das Eis gebrochen, und Sie sprechen mich mit meinem Vornamen an!« Lucas lachte breit. »Miß Amelia, darauf müssen wir trinken.«
    »Ich will nicht, wir haben schon zuviel getrunken. Und wegen Michael …«
    »So viel Lärm um einen windigen Diener«, meinte Lucas verächtlich. »Ich glaube, ich weiß, weshalb er mit Ihnen reden will, und an Ihrer Stelle wäre es mir gar nicht eilig, es zu hören. Er will nämlich gehen, weil er ein Feigling ist. Natürlich gibt er bessere Gründe an als Feigheit. Er ist ja schließlich auch ein Eingeborener, und die sind überall gleich. Sie sind ebenso abergläubisch wie habgierig.«
    »Bisher hatte

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