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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Grab.)
    Die Treppe führte in steilem Winkel in den Felsen und war völlig mit Steinen und Schotter zugeschüttet worden. Am folgenden Nachmittag hatten die Männer sie freigelegt und entdeckten den oberen Teil eines Türstocks, der mit schweren Steinplatten blockiert war. In den Mörtel waren die noch unverletzten Siegel der königlichen Totenstadt eingeprägt. Beachten Sie dieses Wort, werter Leser – ein ganz einfaches Wort, das doch von so großer Tragweite ist. Unverletzte Siegel bedeuten, daß das Grab seit dem Tag, an dem es die Priester des Begräbniskults feierlich geschlossen hatten, nicht geöffnet worden war.
    Wie alle seine Freunde belegen konnten, war Sir Henry selbst für einen englischen Adeligen ein Mann von besonders phlegmatischem Temperament. Als einziges Zeichen der Erregung murmelte er nur: »potz Blitz«, und dabei strich er sich über den dünnen Bart. Die anderen waren nicht so unterkühlt. Bald erfuhr die Presse von dem Fund, und es wurden Berichte darüber veröffentlicht.
    Sir Henry informierte die Antikenverwaltung von seinem Fund; als er zum zweitenmal die staubigen Stufen hinunterstieg, wurde er von einer illustren Schar von Archäologen und Beamten begleitet. Hastig hatte man einen Zaun errichtet, um die Schaulustigen, Journalisten und Einheimischen abzuhalten, von denen letztere malerisch in lange, flatternde Gewänder und weiße Turbane gekleidet waren. Ein Gesicht fiel besonders auf – das von Mohammed Abd er Rasul, einem der Entdecker des Verstecks der königlichen Mumien, der seinen Fund (und den seines Bruders) an die Behörden verraten hatte. Zur Belohnung hatte er einen Posten bei der Antikenverwaltung bekommen. Augenzeugen berichteten von dem abgrundtiefen Bedauern auf seinem Gesicht und den niedergeschlagenen Blicken der anderen Mitglieder seiner Familie. Die Ausländer hatten ihnen einen Fund unter der Nase weggeschnappt und sie so einer zukünftigen Einnahmequelle beraubt.
    Obwohl Sir Henry sich von der Krankheit erholt hatte, die der ursprüngliche Grund für seine Ägyptenreise gewesen war, und sich (wie sein Arzt später berichten sollte) ausgezeichneter Gesundheit erfreute, war er nicht von beeindruckendem Äußeren. Eine Photographie, die an diesem ereignisreichen Tag aufgenommen wurde, zeigt ihn als hochgewachsenen Mann mit gebeugten Schultern, dessen Haar ihm irgendwie vom Kopf gerutscht und etwas willkürlich an Kinn und Wangen hängengeblieben zu sein schien. Der Lord verfügte nicht über das geringste handwerkliche Geschick, und wer ihn besser kannte, trat unauffällig zurück, als er einen Meißel an der steinernen Barrikade ansetzte und mit dem Hammer ausholte. Der britische Konsul kannte ihn nicht. Der erste Gesteinssplitter traf den unglücklichen Herrn mitten auf die Nase. Entschuldigungen und Erste-Hilfe-Maßnahmen folgten. Dann schickte sich Sir Henry – diesmal inmitten eines großen, entvölkerten Platzes – an, noch einmal zuzuschlagen. Kaum hatte er den Hammer erhoben, als aus der Menge der zusehenden Ägypter ein langgezogenes, klagendes Heulen aufstieg.
    Die Bedeutung des Schreis wurde von allen verstanden, die ihn gehört hatten: So betrauern die Anhänger Mohammeds ihre Toten.
    Eine Pause entstand. Dann erhob sich wieder die Stimme. Sie rief (selbstverständlich in Übersetzung): »Schändung! Schändung! Der Fluch der Götter soll auf den fallen, der die ewige Ruhe des Königs stört!«
    Erschreckt von dieser Drohung, verfehlte Sir Henry den Meißel und schlug sich auf den Daumen. Ein solches Mißgeschick trägt nicht eben dazu bei, die Laune zu heben, und man kann Sir Henry nachsehen, daß er die Geduld verlor. Mit ärgerlicher Stimme befahl er Armadale, der hinter ihm stand, den Unglücksboten zu ergreifen und ihm eine ordentliche Tracht Prügel zu verabreichen. Armadale war zwar willig, doch als er sich der Menge näherte, verstummte der Prophet klugerweise und war deshalb nicht mehr auszumachen, denn seine Freunde leugneten alle, etwas über seine Identität zu wissen.
    Es war ein unwichtiges Ereignis, das alle – abgesehen von Sir Henry, dessen Daumen ziemlich beschädigt war – rasch vergaßen. Wenigstens gab ihm die Verletzung einen Vorwand, die Werkzeuge an jemanden zu übergeben, der sie erfolgversprechender einsetzen konnte. Mr. Alan Armadale, ein junger, kräftiger Mann, griff sich die Gerätschaften. Mit einigen geschickten Schlägen hatte er eine Öffnung gebrochen, die groß genug war, daß Tageslicht hineindringen konnte. Dann

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