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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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beobachtete ich dieses alltägliche Tableau durch eine verzerrende Glasscheibe wie in einem Märchen, das ich einmal gelesen hatte. Jeder im Raum spielte eine Rolle. Jeder hatte etwas zu verbergen – Gefühle, Taten, Gedanken.
    Lady Baskerville hätte besser daran getan, mich den Kaffee ausschenken zu lassen. Sie war außerordentlich ungeschickt, und nachdem es ihr gelungen war, eine halbe Tasse voll auf das Tablett zu verschütten, stieß sie einen ärgerlichen Schrei aus und griff sich an die Stirn.
    »Ich bin so nervös heute abend, ich weiß nicht, was ich tue! Radcliffe, ich wünschte, Sie würden es sich noch einmal überlegen. Bleiben Sie heute nacht hier. Bringen Sie sich nicht in Gefahr. Ich könnte eine weitere …« Lächelnd schüttelte Emerson den Kopf, und Lady Baskerville, die sich Mühe gab, sein Lächeln zu erwidern, sagte nun etwas ruhiger: »Ich sollte es besser wissen. Aber Sie werden doch wenigstens jemanden mitnehmen? Sie gehen nicht etwa allein?«
    Starrsinnig, wie er ist, wollte Emerson dieses vernünftige Ansinnen schon ablehnen. Aber auch die anderen drängten ihn, sich mit einem Begleiter einverstanden zu erklären. Vandergelt bot als erster seine Dienste an.
    »Nein, nein, Sie müssen bleiben und die Damen beschützen«, sagte Emerson.
    »Wie immer, Herr Professor, wäre es mir eine Ehre, dem herausragendsten …« mischte sich Karl ein.
    »Nein, danke.«
    Ich sagte nichts. Für mich bestand keine Notwendigkeit zu sprechen, da Emerson und ich uns für gewöhnlich ohne Worte verständigen. Ich glaube, es handelt sich um eine Art elektrische Schwingungen. Er spürte meine unausgesprochene Botschaft, denn er vermied es, mich anzusehen, während er mit den Augen nervenzerreißend langsam den Raum absuchte.
    »Ich glaube, Mr. O’Connell wird mein Opfer«, sagte er schließlich. »Wenn wir eine ruhige Nacht haben, kann er an seinem nächsten Bericht arbeiten.«
    »Das paßt mir gut, Professor«, sagte der junge Ire und nahm seine Tasse von Lady Baskerville entgegen.
    Plötzlich sprang Emerson mit einem Schrei auf. »Schauen Sie!«
    Alle Blicke richteten sich auf das Fenster, auf das er zeigte. O’Connell rannte durchs Zimmer und zog die Vorhänge zurück.
    »Was haben Sie gesehen, Professor?«
    »Etwas Weißes ist vorbeigehuscht«, antwortete Emerson. »Ich dachte, jemand läuft rasch am Fenster vorbei.«
    »Jetzt ist niemand mehr da«, meinte O’Connell. Er kehrte zu seinem Sessel zurück.
    Eine Weile sagte keiner etwas. Ich saß da, umklammerte die Armlehnen meines Sessels und versuchte nachzudenken, denn mir war gerade ein neuer und schrecklicher Einfall gekommen. Ich hatte keine Ahnung, was Emerson mit seiner albernen weißen Gestalt und seinem theatralischen Geschrei beabsichtigt haben könnte; meine Sorge war völlig anderer Natur. Vielleicht irrte ich mich. Doch wenn das nicht der Fall war, mußte sofort etwas geschehen, und das duldete keinen Aufschub.
    »Halt«, schrie ich und stand diesmal meinerseits auf.
    »Was ist?« fragte Emerson.
    »Mary!« rief ich aus. »Rasch – sie fällt gleich in Ohnmacht …«
    Die Herren stürzten sich alle auf das erstaunte Mädchen. Ich hatte zwar gehofft – wenn auch nicht wirklich erwartet –, daß sie die Geistesgegenwart besitzen würde, um auf mein Stichwort zu reagieren. Evelyn hätte es ohne Zögern getan, aber Evelyn ist meine Methoden gewöhnt. Aber es machte nichts, die Ablenkung gab mir die Gelegenheit, die ich brauchte. Emersons Kaffeetasse und meine standen auf einem niedrigen Tischchen neben meinem Sessel. Schnell vertauschte ich sie.
    »Wirklich, mir fehlt nichts«, beharrte Mary. »Ich bin ein wenig müde, aber schwindelig ist mir gar nicht.«
    »Sie sind sehr blaß«, meinte ich mitfühlend. »Und Sie hatten so einen entsetzlichen Tag, Mary. Ich glaube, Sie sollten sich hinlegen.«
    »Und du auch«, sagte Emerson und sah mich argwöhnisch an. »Trink deinen Kaffee, Amelia, und geh zu Bett.«
    »Gewiß«, sagte ich und tat es ohne Zögern.
    Bald löste sich die Gesellschaft auf. Emerson erbot sich, mich zu unserem Zimmer zu geleiten, doch ich teilte ihm mit, daß ich vor dem Zubettgehen noch andere Angelegenheiten zu erledigen hätte. Die erste und wichtigste will ich nicht im Detail beschreiben; der Vorgang war äußerst unangenehm und zu abscheulich, um ihn wiederzugeben. Wenn ich Emersons Absichten hätte vorhersehen können, hätte ich beim Abendessen nicht so herzhaft zugegriffen.
    Dann fühlte ich mich verpflichtet, bei Mary

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