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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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meine Ablehnung seines Heiratsantrags ihm vielleicht so aufs Gemüt geschlagen ist …«
    »Das ist ziemlich unwahrscheinlich«, unterbrach ich sie im Versuch, sie aufzuheitern.
    »Glauben Sie mir, ich schätze meine Anziehungskraft nicht so hoch ein«, antworte Mary mit einem schüchternen Lächeln. »Anfangs hat er es gut aufgenommen. Es dauerte etwa eine Woche, bis er sich so merkwürdig verhielt. Und er hat seinen Antrag nicht wiederholt. Etwas war nicht in Ordnung mit ihm – ob körperlich oder seelisch kann ich nicht sagen. Selbstverständlich waren wir alle über Lord Baskervilles geheimnisvollen Tod erschüttert, aber Alans Reaktion … Er benahm sich wie der Mann in dem Gedicht – vielleicht wissen Sie, welches ich meine –, voll Furcht, den Kopf zu wenden, um nicht vielleicht einen bösen Feind hinter sich zu sehen. Ich bin überzeugt, daß er den Verstand verloren hat und ins Gebirge gelaufen ist, wo ein vorzeitiger Tod ihn ereilte.«
    »Hmmm«, meinte ich. »Das ist vorstellbar. Obwohl ich bezweifle, daß Sir Baskervilles Tod ihn so sehr mitgenommen hat. Seine Lordschaft gehörte, soweit ich glaube, nicht zu der Sorte Menschen, die von ihren Untergebenen abgöttisch geliebt werden.«
    »Wirklich«, sagte Mary zögernd. »Ich würde lieber nicht …«
    »Ihre Diskretion macht Ihnen alle Ehre. Nil nisi bonum und so weiter; aber vergessen Sie nicht, Mary, wir untersuchen den Tod dieses armen Mannes, und dies ist nicht der Zeitpunkt …«
    »Dies ist nicht der Zeitpunkt für Klatsch!« schrie eine Stimme hinter mir. Mary fuhr hoch und ließ ihren Bleistift fallen. Als ich mich umwandte, sah ich Emerson in einer höchst streitlustigen Pose. Sein Gesicht war vor Hitze und Wut hochrot. »Du untersuchst überhaupt nichts«, fuhr er fort. »Begreif das endlich, Amelia, wenn du dazu in der Lage bist. Hör auf, meine Zeichnerin bei der Arbeit zu stören und geh an deinen Schutthaufen. Sonst werfe ich dich über die Schulter und schleppe dich zurück zum Haus.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand er wieder im Inneren des Grabes.
    »Männer sind solche Feiglinge«, sagte ich entrüstet. »Er wußte, daß ich noch etwas sagen wollte. Nun, ich werde mich später mit ihm befassen. Es würde einen schlechten Eindruck auf die Arbeiter machen, wenn ich ihm nachginge und ihn auf die Schwachstellen seiner Argumentation hinwiese. Ich freue mich, daß wir diese kleine Unterhaltung geführt haben, Mary.«
    Mit einem aufmunternden Klaps auf die Schulter überließ ich das Mädchen seiner Arbeit. Nicht, daß ich mich von Emersons Wutanfall hätte einschüchtern lassen – nein, keineswegs. Ich wollte nur noch einmal darüber nachdenken, was sie mir erzählt hatte. Sie hatte meinen Gedanken reichlich Nahrung gegeben. Besonders erstaunte mich ihre Schilderung von Armadales seltsamem Verhalten vor Lord Baskervilles Tod. Was sie allerdings nicht sah, da sie den jungen Mann mochte, war, daß diese Vorkommnisse nur die Theorie untermauerten, Armadale habe seinen Gönner umgebracht. Ich hatte bei Armadale kein Motiv für die Tat finden können; doch ein Verrückter braucht – wie wir aus unseren Beobachtungen kriminellen Verhaltens wissen – kein Motiv.

    Als wir an diesem Abend müde, verschwitzt und erschöpft zum Haus zurückkehrten, erfuhren wir sehr zu unserem Mißvergnügen, daß Lady Baskerville uns sofort zu sehen wünschte. Emerson antwortete mit einem einzigen, heftigen Wort und polterte zu unserem Zimmer. Ich blieb einen Moment zurück, um die Überbringerin der Botschaft zu trösten, die vor Angst ganz grün im Gesicht geworden war.
    Atiyah, Lady Baskervilles Zofe, stammte aus Kairo, war Koptin und deswegen bei den moslemischen Dienstboten nicht sehr beliebt. Sie war eine schüchterne, scheue Frau von unbestimmbarem Alter – wie die meisten Ägypterinnen, wenn sie die kurze Blüte der Jugend überschritten haben – und verbrachte die meiste Zeit in Lady Baskervilles Gemach, wo sie ihren Pflichten nachging, oder in ihrem kleinen Zimmer im Dienstbotenflügel. Lady Baskerville tadelte sie ständig. Nachdem ich einmal eine solche Gardinenpredigt mitangehört hatte, fragte ich sie, warum sie keine englische Zofe einstellte, da Atiyah ja offenbar so unfähig sei. Die Lady erwiderte pikiert, Lord Baskerville habe es vorgezogen, die Kosten niedrig zu halten. Das paßte zu dem, was ich von der seltsamen Mischung aus beruflich bedingter Großzügigkeit und persönlichem Geiz seiner Lordschaft gehört hatte. Beispielsweise

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