Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
nicht, was Sie zu finden hoffen«, brummte Vandergelt, wobei er sich über die schweißnasse Stirn strich. »Dieser arme Bursche war ein Bauer; er hat sicher keine Wertgegenstände bei sich gehabt.«
Doch noch während er das sagte, war unter dem Staub, den Emerson mit seiner Bürste weggewischt hatte, ein Funkeln zu sehen. »Wachs«, sagte Emerson barsch. »Beeil dich, Peabody, ich brauche Wachs.«
Ich gehorchte ohne Umschweife – nicht dem herrischen Befehl eines tyrannischen Ehemannes, sondern dem dringlichen Bedürfnis eines Berufskollegen. Paraffin gehörte zu den Utensilien, die wir für gewöhnlich stets griffbereit hatten; es wurde benutzt, um zerbrochene Gegenstände solange zusammenzuhalten, bis ein dauerhaftes Klebemittel verwendet werden konnte. Über meiner kleinen Spirituslampe erhitzte ich eine beträchtliche Menge Wachs und lief dann schnell zum Grab zurück, wo Emerson inzwischen den Gegenstand gesäubert hatte, dessen erstes Funkeln andeutete, daß Gold im Spiel war.
Er riß mir die Pfanne aus der Hand, ohne sich darum zu scheren, daß sie heiß war, und ließ die Flüssigkeit langsam auf den Boden tröpfeln. Ich erkannte nur einige Farbtupfer – Blau, ein rötliches Orange und Kobalt –, bevor das aushärtende Wachs den Gegenstand umschloß.
Emerson verstaute das Ganze in einer Schachtel und ließ sich dann – mit seiner Beute in den Händen – dazu überreden, für heute die Arbeit zu beenden. Abdullah und Karl sollten als Wachen im Grab zurückbleiben.
Wir waren schon fast beim Haus angelangt, als Emerson sein langes Schweigen brach. »Kein Wort darüber, Vandergelt, auch nicht gegenüber Lady Baskerville.«
»Aber …«
»Ich werde sie zur gegebenen Zeit und unter entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen darüber informieren. Hol’s der Teufel, Vandergelt, die meisten der Dienstboten haben in den Dörfern Verwandte. Wenn sie erfahren, daß wir Gold gefunden haben …«
»Ich verstehe schon, Professor«, erwiderte der Amerikaner. »He – wohin gehen Sie denn?« Emerson hatte, anstatt auf dem Pfad zum Eingangstor zu bleiben, den Weg zur Rückseite des Hauses eingeschlagen.
»In unser Zimmer natürlich«, lautete die Antwort. »Sagen Sie Lady Baskerville, wir kommen, sobald wir gebadet und uns umgezogen haben.«
Wir ließen den Amerikaner stehen. Als wir durch unser Fenster kletterten, dachte ich zufrieden daran, wie bequem dieser Eingang war – und weniger zufrieden daran, wie leicht Unbefugte sich auf diese Weise Zutritt verschaffen konnten.
Emerson zündete die Lampen an. »Verriegle die Tür, Peabody.«
Ich tat wie geheißen und zog auch die Vorhänge zu. Inzwischen räumte Emerson den Tisch frei und breitete ein sauberes weißes Taschentuch darauf aus. Er öffnete die Schachtel und legte den Inhalt vorsichtig auf das Tuch.
Seine Erfahrung in der Verwendung von Wachs als Bindemittel für Bruchstücke war nicht zu verkennen. Obgleich die Einzelteile zermalmt und verstreut waren, waren noch Spuren der Originalstruktur erhalten geblieben. Hätte Emerson sie einzeln aus dem Staub gepickt, wäre jegliche Hoffnung, das Objekt zu restaurieren, dahin gewesen.
Es handelte sich um einen Brustschmuck oder Anhänger in Form eines geflügelten Skarabäus. Das Mittelteil war aus einem Lapislazuli gefertigt, und dieser harte Stein war fast unbeschädigt geblieben. Die feingeformten Flügel hingegen, die aus einer dünnen Goldschicht mit kleinen Stücken Türkis und Karneol bestanden, waren so sehr zerstört, daß nur ein Experte – jemand wie ich also – ihre Form erahnen konnte. Der Skarabäus ruhte in einer Fassung aus Gold, die unter anderem mit zwei Kartuschen, die die Namen eines Pharaos trugen, verziert war. Diese winzigen Hieroglyphen waren nicht in das Gold geritzt, sondern als Intarsien gearbeitet, wobei man jede winzige Form aus einem Edelstein geschnitten hatte. Obwohl sie nun in unzählige Einzelteile zerbrochen waren, erkannte mein geübtes Auge sofort ein aus Lapislazuli geschnittenes »ench« und ein winziges Stück Türkis, das ein »u« oder »w« darstellte.
»Guter Gott«, sagte ich. »Ich bin überrascht, daß es nicht zu Staub zermahlen wurde.«
»Es lag unter dem Körper des Diebes«, erwiderte Emerson. »Seine Leiche hat das Schmuckstück vor dem Aufprall geschützt. Als der Leichnam zerfiel, senkte sich der Stein, wodurch das Gold zwar gepreßt wurde, aber nicht zersplitterte, was geschehen wäre, wenn der Quader direkt darauf gefallen wäre.«
Dank meiner geübten
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