Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
Da das nächste Krankenhaus in Kairo lag, wäre es schierer Leichtsinn gewesen, den Patienten zu verlegen.
Lady Baskerville erbot sich, den Kranken zu pflegen. Eigentlich wäre es auch an ihr gewesen, die Verantwortung zu übernehmen, aber Mary war ebenso fest dazu entschlossen, den jungen Mann zu versorgen, woraus sich eine ziemlich hitzige Auseinandersetzung entwickelte. Lady Baskervilles Augen blitzten, und ihre Stimme nahm den heiseren Klang an, der bei ihr darauf hinwies, daß sie in Wut geriet. Als Emerson hinzugerufen wurde, um den Streit zu schlichten, verärgerte er beide Damen mit der Nachricht, daß er bereits um eine Pflegerin nachgesucht habe. Die Schwester, eine Nonne aus einem Krankenpflegeorden in Luxor, traf auch prompt ein; und obwohl ich nicht zur götzenähnlichen Verehrung des Papstes neige, hatte der Anblick der ruhigen, lächelnden Gestalt in ihren strengen schwarzen Gewändern eine erstaunlich beruhigende Wirkung.
Emerson und ich machten uns dann auf den Weg ins Tal, denn er hätte es nicht ertragen, seine Verhandlungen mit den Gurnawis in Angriff zu nehmen, ohne wenigstens einen Blick in sein geliebtes Grab geworfen zu haben. Ich hatte Schwierigkeiten, mit ihm Schritt zu halten. Er stürmte den Pfad entlang, als ob eine Verzögerung von nur einer Sekunde eine Katastrophe zur Folge gehabt hätte. Schließlich gelang es mir, ihn zu einem langsameren Tempo zu überreden, da ich ihm noch einige Fragen stellen wollte. Doch noch ehe ich sprechen konnte, brach es aus ihm heraus: »Zum Teufel, wir haben einfach zuwenig Leute! Mary ist heute wahrscheinlich zu nichts zu gebrauchen. Sie wird diesem jungen Nichtsnutz nicht von der Seite weichen.«
Das erschien mir als günstiger Zeitpunkt, den Vorschlag zur Sprache zu bringen, der Mr. O’Connell betraf. Emerson nahm ihn gelassener auf, als ich zu hoffen gewagt hatte.
»Falls dieser junge … mir auch nur zu nahe kommt, kriegt er von mir einen Tritt in den Allerwertesten«, stellte er fest.
»Du mußt deine Einstellung ändern. Wir brauchen ihn.«
»Nein, das tun wir nicht.«
»Doch. Zunächst einmal haben wir Einfluß darauf, was er schreibt, wenn wir ihm die Exklusivrechte für die Berichte über unsere Arbeit geben. Zum zweiten wird die Anzahl gesunder Männer, die uns zur Verfügung stehen, zusehends kleiner. Selbstverständlich schließe ich mich in diese Kategorie ein …«
»Selbstverständlich«, stimmte Emerson zu.
»Aber trotzdem haben wir zuwenig Leute. Jemand sollte im Haus bei den Frauen bleiben. Die übrigen werden draußen an der Ausgrabungsstelle gebraucht. O’Connell hat zwar keine Ahnung von Ausgrabungen, aber er ist ein gescheiter junger Mann, und es würde mich sehr beruhigen, wenn ich wüßte, daß ein fähiger Mensch das Haus bewacht. Damit möchte ich nicht andeuten, daß Mary unfähig ist, aber mit ihrer Arbeit im Grab und ihren Verpflichtungen gegenüber ihrer Mutter hat sie sowieso schon alle Hände voll zu tun.«
»Richtig«, gab Emerson zu.
»Schön, daß du meiner Meinung bist. Immerhin könnte Armadale noch einmal zuschlagen. Vielleicht hältst du mich für überspannt, Emerson …«
»In der Tat, Amelia, in der Tat.«
»… aber ich mache mir Sorgen um Mary. Armadale hat ihr bereits einmal einen Heiratsantrag gemacht. Vielleicht trägt er sich immer noch mit einer verbrecherischen Leidenschaft. Was ist, wenn er beschließt, sie zu entführen?«
»Durch die Wüste mit seiner Karawane weißer Kamele?« fragte Emerson grinsend.
»Deine Leichtfertigkeit ist abscheulich.«
»Amelia, du mußt dir deine lächerliche Schwäche für junge Liebespaare abgewöhnen!« rief Emerson aus. »Falls Armadale wirklich schmollend in den Bergen herumsitzt, hat er sicherlich Wichtigeres im Kopf, als einem kleinen Mädchen den Hof zu machen. Aber deiner Bemerkung von vorhin kann ich nur beipflichten. Warum, glaubst du, habe ich eine Krankenschwester kommen lassen? Der Anschlag auf Milverton-Baskerville (verdammt seien die Leute, die mit falschen Namen herumlaufen) sollte ihn für immer zum Schweigen bringen. Der Angreifer könnte es ein zweites Mal versuchen.«
»Also bist du auch auf diesen Gedanken gekommen.«
»Selbstverständlich. Noch bin ich nicht senil.«
»Es ist nicht sehr nett von dir, die arme Nonne den Umtrieben eines Mörders auszusetzen.«
»Ich glaube nicht, daß Gefahr besteht, ehe Milverton nicht das Bewußtsein wiedererlangt – falls es jemals dazu kommt. Trotzdem hat dein Vorschlag hinsichtlich O’Connell
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