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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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War dir zu diesem Zeitpunkt schon klar, daß er die Mumie nicht stehlen, sondern zerstören wollte?«
    »Nein«, gab Emerson ungewöhnlich aufrichtig zu (Blutverlust und Brandy hatten vermutlich zu dieser verminderten Selbstkontrolle geführt). »Ich war mir sicher, daß er irgend etwas im Schilde führte, und ich hatte eine flüchtige, irrwitzige Ahnung, daß er vielleicht alle daran hindern wollte, den Sarg zu öffnen.«
    »Und wie sah diese flüchtige, irrwitzige Ahnung aus?«
    »Diese Idee erschien mir so unbedeutend, Peabody … Selbst als ich mich gegen sie zur Wehr setzte, um sie von dem Sarkophag fernzuhalten, ging ich davon aus, daß sie ihn rauben wollten. Doch als ich die Trümmer sah … Du hast sie doch auch gesehen, Peabody. Was ist die naheliegende Schlußfolgerung?«
    Er war aufrichtig zu mir gewesen; ich mußte es ebenfalls sein. »Ich weiß es nicht, Emerson«, murmelte ich. »Sag du es mir.«
    »Nun, offensichtlich war die Mumie bereits in ihrer Ruhe gestört und teilweise freigelegt worden. Ein solcher Sturz hätte sie übel zugerichtet; die Knochen hätten sich gelöst und wären vielleicht zerbrochen. Aber der Inhalt hätte sich nicht so weit verteilt und wäre auch nicht so gräßlich zertrümmert gewesen, wären die Gebeine nicht schon zuvor von ihren Bandagen befreit worden.«
    »Natürlich«, entfuhr es mir. »Ganz recht, Emerson. Zweifellos hätte ich das ebenfalls bemerkt, wenn ich nicht so besorgt um dich gewesen wäre. Gewiß findet man Mumien in unterschiedlichen Stadien der Erhaltung vor; aber ich kann mich noch gut an die Schwierigkeiten erinnern, die du bei Freilegungen hattest, da die Bandagen aufgrund der Einbalsamierung in vielen Fällen wie Panzer am Körper hafteten.«
    »Das betrifft spätere Mumien«, erwiderte Emerson. »Aber auch in anderen Epochen, wie der besagter Mumie, hätten die unzähligen Leinenstreifen dafür gesorgt, daß der Leichnam weitgehend erhalten blieb, und selbst wenn sich Knochen gelöst hätten, wären sie innerhalb der Bandagen geblieben. Es besteht überhaupt kein Zweifel, Peabody; die Mumie war bereits freigelegt worden. Aber wann? Und weshalb?«
    Es war wie in alten Zeiten; vertieft in ein anregendes und faszinierendes Gespräch, saßen wir Seite an Seite vor dem verlöschenden Feuer. Nachdenklich erwiderte ich: »Die Mumie könnte vor langer Zeit von Grabräubern geöffnet und wieder einbandagiert worden sein. Solche Fälle sind bekannt. Aber du neigst genau wie ich eher zu der Vermutung, daß es erst kürzlich geschehen ist. Offensichtlich passierte es nicht, nachdem die Mumie dem Museum geschenkt wurde. Ich werde Lord Liverpool morgen fragen.«
    »Morgen«, wiederholte Emerson. »Hast du eine Verabredung, Peabody, oder planst du einen weiteren deiner kleinen Einbrüche?«
    Seine Stimme hatte den seltsam schnurrenden Unterton, der aufsteigende Verärgerung deutete.
    »Oh«, sagte ich mit einem kurzen Auflachen, »ich vergaß, es zu erwähnen. Lord Liverpool hat uns zum Mittagessen und zu einer Besichtigung seiner Sammlung eingeladen.«
    »Wann hat er das getan?«
    Ich sah keine Veranlassung, ihm auf die Nase zu binden, daß ich die Initiative ergriffen hatte. »Heute morgen erhielt ich seinen Brief«, erwiderte ich wahrheitsgemäß.
    »Heute morgen. Hmmm. Dann kann es nicht sein …« Er ließ diesen Satz unvollendet. Statt dessen fuhr er in freundlichem Ton fort: »Gut gemacht, Peabody. Wie ich dich kenne, war es vermutlich deine und nicht Lord Liverpools Idee, aber sie ist trotzdem hervorragend. Ich hoffe nur, daß Seine Lordschaft nicht zu verblüfft ist, wenn du in meiner Begleitung auftauchst.«
    Sicherlich muß ich der sensiblen (soll heißen: weiblichen) Leserschaft nicht erklären, warum ich am folgenden Morgen mit einer ungeheuren Wut auf Emerson erwachte. Die menschliche Psyche ist nun einmal wankelmütig; und ich habe beobachtet, daß die Konsequenz um so fataler wird, je mehr man seinen Emotionen nachgibt. In meinem Gefühlsüberschwang war ich am Abend zuvor zu weit gegangen.
    Emerson seinerseits gab sich beschäftigt und abwesend. Während des Frühstücks verschanzte er sich hinter einer Zeitung und ignorierte Percys neugierige Fragen, der (vermutlich von Ramses) von unserem neuesten Abenteuer erfahren hatte. Sein ständig wiederholtes »Ich kann nur sagen: wie aufregend!« war etwas irritierend.
    »Welch ein schönes Taschenmesser«, sagte ich – denn Percy hatte besagten Gegenstand aus seiner Jackentasche hervorgeholt und spielte

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