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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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hereinkam, erhob sie sich und schlüpfte hinaus. Ich machte keinen Versuch, sie zurückzuhalten. Dann setzte ich mich auf die Bettkante und entfaltete das Schreiben, das an Ort und Stelle verfaßt worden sein mußte, denn die Schrift war so unregelmäßig, daß sicherlich eine steinige Oberfläche als Unterlage gedient hatte. Doch diese Schwierigkeit hatte Kevin nicht daran gehindert, sich wortreich auszudrücken, und auch seinem überschäumenden irischen Charme nichts anhaben können.
    Nach den üblichen blumigen Komplimenten fuhr er fort:
    Ich freue mich mit einer Begeisterung, die ich kaum in Worte fassen kann, darauf, meine Bekanntschaft mit Ihnen und dem Professor zu erneuern. Außerdem möchte ich Sie zu dieser weiteren, wundersamen Rettung beglückwünschen. Ich freue mich so darauf, Sie beide wiederzusehen, daß ich ein ›Nein‹ nicht als Antwort hinnehmen würde. Ich habe mich in einem hübschen, kleinen Sommerhaus eingerichtet, das jemand (darf ich hoffen, daß Sie es in Erwartung meiner Ankunft waren?) freundlicherweise nicht weit vom Eingang zu diesem Tal erbaut hat. Einer der Dorfbewohner hat sich bereit erklärt, mich täglich mit Lebensmitteln und Wasser zu versorgen, also wird es mir an nichts fehlen. Allerdings bin ich, wie Sie wissen, ein ungeduldiger Mensch. Lassen Sie mich nicht zu lange warten, sonst gerate ich noch in Versuchung, meinen Hals zu riskieren, indem ich vom Plateau aus zu Ihnen hinunterklettere.
    Darauf folgten weitere Komplimente. Es war das letzte Wort – ein unverschämtes »À bientôt« –, das mir einen entrüsteten Ausruf entlockte, den ich bis dahin unterdrückt hatte.
    »Verdammt!« schrie ich.
    Berthas Gesicht erschien im Zelteingang. Ihre Augen über dem Schleier waren vor Entsetzen geweitet. »Ist etwas geschehen? Kommt dieser Brief von … von ihm?«
    »Nein, nein«, beruhigte ich sie. »Nichts ist geschehen – nichts, das dich betrifft. Du mußt nicht draußen bleiben, Bertha, obwohl ich deine Höflichkeit zu schätzen weiß.« Ich faltete das Schreiben zusammen, legte es in meine Schachtel und ging hinaus, um mir das staubige und nun noch mehr erhitzte Gesicht mit Wasser abzuspritzen.
    An diesem Abend beteiligte ich mich nicht so angeregt an dem Gespräch am Lagerfeuer, wie es sonst meine Gewohnheit ist. Ich grübelte darüber nach, wie ich mit Kevin sprechen und ihn abwimmeln sollte. Ohne Zweifel würde er, wenn ich einem Gespräch mit ihm auswich, seine Drohung in die Tat umsetzen. Und wenn er sich nicht beim Herumklettern in den Felsen den Hals brach, würde ihn wahrscheinlich einer von Cyrus’ Wachmännern erschießen. Eine weniger anständige Frau hätte das möglicherweise als ideale Lösung empfunden, aber ich konnte mich mit einem derart abstoßenden Gedanken nicht anfreunden. Außerdem bestand immer noch die Aussicht, daß Kevin den Wachen entschlüpfte und den Abstieg bewältigte, ohne Schaden zu nehmen.
    Ich mußte ihn sehen und mit ihm sprechen, und ich hoffte, ein Appell an die Sympathie, die er angeblich für mich empfand, würde ihn dazu bringen, uns in Ruhe zu lassen. Vielleicht würde auch eine kleine Bestechung in Form zukünftiger Interviews zum gewünschten Ergebnis führen. Aber wie sollte ich allein und ohne Beschützer Verbindung zu ihm aufnehmen? Cyrus würde darauf bestehen, mich zu begleiten, wenn er wüßte, was ich vorhatte. Und Cyrus’ kritische Blicke würden die freundschaftliche und vertrauliche Stimmung stören, die für meinen Erfolg unabdingbar war.
    Ich beschloß, während der Mittagsruhe aufzubrechen. Den langen und schwierigen Marsch in der Dunkelheit zu wagen, wäre Leichtsinn gewesen, und in der Arbeitszeit konnte ich mich nicht unbemerkt aus dem Staub machen. Für gewöhnlich dauerte die Mittagsruhe zwei bis drei Stunden. Es bestand keine Hoffnung, zurückzusein, ehe meine Abwesenheit entdeckt wurde, denn die Entfernung betrug etwa viereinhalb Kilometer. Doch falls es mir gelang, die Angelegenheit mit Kevin zu klären, ehe die anderen mich aufstöberten, hatte ich mein Ziel erreicht. Ich kam zu dem Schluß, daß es einen Versuch wert wäre. Außerdem drohte mir keine Gefahr; schließlich bewachte Selim den Eingang zum Wadi.
    Nachdem ich diesen Entschluß gefaßt hatte, widmete ich mich mit gutem Appetit dem Abendessen. Wie ich beobachtete, musterten die anderen argwöhnisch jeden Bissen, ehe sie ihn in den Mund steckten, doch ich hatte mir gesagt, daß man nicht zweimal zum gleichen Trick greifen würde, nachdem ein

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