Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses
und ich glaube, auch sie ist ihm gegenüber nicht abgeneigt.«
»Unsinn, Emerson. Seine Nachricht lautete … Hmmm.
Sie besagte nichts weiter, als daß er sich freuen würde, uns heute abend zu sehen.«
»Du mußt mit deinem Atem haushalten, Peabody, dieses Stück hier ist etwas steil.« Er war mir behilflich und fuhr dann fort: »Auch ich habe noch einige Fragen zu klären. Du glaubst doch nicht etwa, daß ich kritiklos zusehe, wie Bellingham meinen Sohn als Zielscheibe benutzt?«
Wir hatten die Spitze des gebel erreicht. Die Kinder waren schon vorausgelaufen; sie blieben stehen und blickten sich um, ob wir ihnen folgten, und ich beobachtete, daß Ramses an seinem Schnurrbart zwirbelte.
»Die Hauptsache«, fuhr Emerson fort, »ist allerdings, daß wir diesen verfluchten Scudder finden. Das wird diesem Unsinn letztlich ein Ende setzen. Außerdem hält mich dieser verdammte Bursche von meiner eigentlichen Arbeit ab.«
»Wie willst du dabei vorgehen?« fragte ich interessiert.
»Ich habe darüber nachgedacht. Miss Dolly als Köder zu benutzen scheint mir nicht besonders wirkungsvoll gewesen zu sein, und auch wenn sie eine selten dumme junge Frau ist, möchte man doch nicht, daß sie irgendwie Schaden nehmen könnte.«
»Man möchte überhaupt nie, daß jemand Schaden nehmen könnte«, sagte ich recht nachdrücklich. »Das betrifft auch dich, Liebster.«
»Wenn es mir irgendwie gelänge, seine Aufmerksamkeit auf mich zu richten, ohne daß es für dich und die Kinder gefährlich wäre, würde ich es riskieren«, gab Emerson zu. »Im Augenblick fällt mir dazu allerdings nichts ein.«
»Dem Himmel sei Dank.« Wir begannen mit dem Abstieg ins Tal, und Emerson schwieg. Ich wußte, was er dachte. Meine Gedanken kreisten um dieselbe Sache, aber auch mir fiel keine Lösung ein. Dolly zu uns einzuladen könnte Scudders Aufmerksamkeit auf uns richten, aber dieser Plan war für alle Beteiligten gefährlich und barg darüber hinaus gleichermaßen das Risiko, daß irgend jemand, möglicherweise sogar ich, Dolly aus lauter Verzweiflung umbrachte, bevor Scudder sie überhaupt gefunden hatte.
Wie in der Vergangenheit setzte ich erneut sämtliche Hoffnung auf Abdullah. Ich hatte ihn darum gebeten, Erkundigungen über Fremde in Luxor einzuholen sowie über das Grab 20-A, aber ich hatte seither noch keine Gelegenheit gefunden, mich mit ihm auszutauschen. Was wir brauchten, war ein Kriegsrat. Es war zu spät, um die Kinder außen vor zu lassen. Sie waren bereits beteiligt und tiefer darin verstrickt, als es mir lieb war.
Als wir jedoch das Grab erreichten, fanden wir Abdullah bewußtlos am Boden liegend vor, und zwei weitere Männer wurden von ihren Gefährten gestützt. Die Decke des Gewölbes war eingestürzt.
12. Kapitel
Diese Gelegenheitsverbrecher arbeiten nie zuverlässig.
Ist noch jemand unten?« lautete Emersons erste Frage. »Nein, Vater der Flüche.« Selim, Abdullahs jüngster und geliebtester Sohn, kniete neben seinem Vater. Er hatte seine Galabija abgelegt und sie gefaltet unter den Kopf des alten Mannes geschoben.
»Wie lange ist er schon bewußtlos?« fragte Nefret und nahm Abdullahs Hand.
»Es passierte, kurz bevor ihr gekommen seid.« Selim warf mir einen flehenden Blick zu. Wie alle Männer verehrte auch er Nefret – aber ich war die Sitt Hakim, und ich hatte mich viele Jahre lang um ihre Verletzungen gekümmert. Obwohl ich wußte, daß sie ebenso fähig war wie ich, hatte ich das Gefühl, selbst auf seine stumme Bitte reagieren zu müssen.
Sie begriff sofort. »Sein Pulsschlag ist regelmäßig«, erklärte sie und trat beiseite, damit ich ihren Platz einnehmen konnte.
»Er wurde von etwas getroffen und ist nur bewußtlos«, sagte ich zuversichtlich. Abdullah regte sich, und ich weiß, daß die eigene Einstellung des Patienten mehr für ihn tun kann als jeder Arzt. »Turbane sind sehr nützliche Kleidungsstücke; seiner hat ihn vor gefährlicheren Verletzungen bewahrt.«
Emerson hatte sich entfernt, um sich Ali und Yussuf anzusehen. Er kam zurückgeschlendert. »Wie geht es ihm?« fragte er besorgt.
»Nur ein Schlag auf den Kopf«, sagte ich mit noch mehr Bestimmtheit.
Abdullah hatte die Augen geöffnet. Als er mich sah, seufzte er, und dann blickte er zu Emerson auf.
»Mein Kopf«, sagte er schwach. »Es ist nur mein Kopf, Vater der Flüche.«
Emersons besorgter Gesichtsausdruck entspannte sich, doch dann runzelte er erneut nachdenklich die Stirn. »Das ist dein wichtigster Körperteil. Ich hatte
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