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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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exaktere Reproduktionen hervorbrachte als jemals zuvor. Seine Kenntnis der Sprache lieferte ihm einen zusätzlichen Vorteil. Wenn die Hieroglyphen zu stark verwittert sind, kann nur ein erfahrener Linguist klären, was sie einmal bedeutet haben.
    Genaugenommen verhalte ich mich irgendwie ungerecht gegenüber Ramses, wenn ich behaupte, daß sein einziges Motiv darin bestand, einer Arbeit zu entgehen, die er für langweilig hielt. Die Sache war es wirklich wert, und da er stundenlang auf wackligen Leitern stehen und auf glühendheißen Wänden Zeichen untersuchen mußte, war das sicherlich auch keine verlockende Aufgabe.
    Das Segeln hat selbst auf rastlose Naturen einen beruhigenden Effekt. Wir genossen eine der idyllischsten Reisen, die man sich vorstellen kann. Der Fluß führte Hochwasser, und der Nordwind blähte die weißen Segel auf. Eine Nacht legten wir in der Nähe des von mir geliebten Amarna an, wo Emerson und ich in den Tagen unserer Jugend zum ersten Mal bemerkt hatten, daß wir einander mochten. Ob geplant oder zufällig, jedenfalls gingen die Kinder früh zu Bett, und Emerson und ich standen an der Reling, hielten uns an den Händen wie Frischverliebte und beobachteten die schlanke silberne Mondsichel, die wie zum Greifen nahe über den Klippen schwebte. Es kam mir vor, als wäre das alles erst gestern gewesen. Und als Emerson mich zu unserer Kabine führte, fühlte ich mich wieder wie eine junge Braut.
    Während ich die Annehmlichkeiten dieser Reise genoß, trat meine Sorge um Enid in den Hintergrund. Dr. Willoughby in Luxor galt als anerkannter Spezialist für Nervenkrankheiten; er konnte ihr sicherlich helfen. Der einzige kleine Wermutstropfen im Zuge unserer Reisevorkehrungen bestand darin, daß Ramses sich standhaft weigerte, sich mit Sekhmet anzufreunden. Nicht, daß er lieblos mit ihr umgegangen wäre; eine von Ramses’ wenigen Tugenden war seine Zuneigung für Tiere, und er hätte niemals irgendeine Kreatur mißhandelt. Bestimmt, sanft und schweigend setzte er sie einfach ab, wenn sie versuchte, auf seine Knie zu krabbeln. Ich dachte, Sekhmet müßte das als herbe Zurückweisung empfinden, aber als ich Ramses deshalb zurechtwies, bedachte er mich wieder einmal mit seinem seltsam schiefen Lächeln und fragte, woher ich das wissen könnte.
    Ramses und ich verstanden uns recht gut. Ich dachte noch einmal darüber nach – Sie werden mir meine Selbstgefälligkeit sicherlich verzeihen –, wie geschickt ich das Gespräch über Enid eingefädelt und wie bereitwillig und spontan er mir seine Ansichten dargelegt hatte.
    Was nur einmal mehr beweist, daß man auch mich täuschen kann und daß Ramses wirklich reifer geworden war. Er war noch doppeldeutiger geworden und verstand sich noch besser als in seiner Jugend darauf, das zu kaschieren.
    Obwohl ich durch und durch Britin bin und mich das mit Stolz erfüllt, hat Ägypten einen Platz in meinem Herzen, den ihm nicht einmal die grünen Wiesen von Kent streitig machen können. Es würde mir schwerfallen, wenn ich sagen müßte, welche der vielen Ausgrabungsstätten Ägyptens mir am besten gefällt: ich habe eine besondere Schwäche für Pyramiden, aber zu Amarna hege ich eine emotionale wie berufliche Bindung, und in Theben hatten wir während der vergangenen Jahre unseren Wohnsitz gehabt. Während die Amelia in den Hafen manövriert wurde, pochte mein Herz vor Vorfreude und dem Gefühl, endlich nach Hause zu kommen. Es war immer das Gleiche, und doch war es jedesmal anders – das Licht auf den westlichen Klippen schimmerte in einem sanfteren Goldton, ihre Schatten in einem dunkleren Violett. Der Abend brach herein. Während unserer letzten Meilen hatte der Fluß den Sonnenuntergang in Rot- und Goldtönen reflektiert. An den Ufern des Nil verblaßten die gigantischen Überreste der Tempel von Karnak und Luxor im Licht der Dämmerung, während die Lichter der Großstadt zu funkeln begannen.
    Als die Gangway ausgelegt wurde, hielt ich die anderen zurück, damit David als erster von Bord gehen konnte. Unübersehbar innerhalb der Gruppe von Freunden und Bekannten, die uns erwarteten, war die große, erhabene Gestalt von Abdullah, unserem Rais, und ich wußte nur zu gut, wie er sich darauf freute, seinen Enkel in die Arme zu schließen.
    »Was, zum Teufel, machst du da, Peabody?« wollte Emerson wissen, während er versuchte, sich aus meinem Griff zu befreien.
    »Abdullah freut sich darauf, David in die Arme zu nehmen«, erklärte ich. »Gönn ihnen ein paar

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