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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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ich sah weg, weil ich den Augenblick der Enttäuschung fürchtete, der unweigerlich nahte. Der arme Mann! Er wußte, daß Emerson niemals so reagiert hätte, wenn er nicht etwas wirklich Außergewöhnliches gefunden hätte, aber das war für Abdullah eindeutig mit einem archäologischen Fund verbunden. Ramses’ Beschreibung, die sich auf eine Hülle mit seidenen Stickereien bezogen hatte, hatte er nicht beachtet; er hoffte auf eine unberührte Begräbnisstätte, vielleicht noch prachtvoller als die Tetisheris, eine goldumhüllte Mumie und ein Grab, das mit wunderschönen Dingen gefüllt war.
    »Emerson will bestimmte Materialien holen«, erklärte ich und überlegte, wie ich Abdullah die schlechte Nachricht am schonendsten beibrachte. »Er sollte ebenfalls die Polizei benachrichtigen, aber wie ich Emerson kenne …«
    Abdullah stöhnte auf, als hätte ihm jemand in die Magengegend geboxt. Howard rief: »Warum zum Teuf- Warum sollte er die Polizei benachrichtigen?«
    »Sie werden meinen Bericht unnötigerweise in die Länge ziehen, wenn Sie mich ständig unterbrechen, Howard. Die Polizei muß eingeschaltet werden, weil …« Ich konnte es nicht ertragen, Abdullah anzusehen. »Weil Ramses’ Beschreibung von langem goldenem Haar und einer seidenen Umhüllung leider exakt zutrifft. Die Mumie in diesem Grab ist nicht die einer alten Ägypterin. Sie ist die einer Frau, die erst in den zurückliegenden Jahren verstorben ist; um genau zu sein, innerhalb des letzten Jahrzehnts.«
    Lautlos, langsam und würdig senkte Abdullah sein Haupt auf seine verschränkten Arme.
    »Aber … aber«, stotterte Howard. »Es kann sich kaum um eine Mumie handeln, wenn sie noch – äh – so frisch ist. Meinen Sie einen Körper – eine Leiche – ein Skelett?«
    »Nun, was das anbelangt, kann ich ohne eine nähere Untersuchung nichts Genaueres sagen«, erwiderte ich, klopfte ein Ei an einem der Felsen auf und begann, die Schale abzupellen. »Allerdings scheinen die Überreste gut konserviert zu sein. Ich habe ihre Nase unter der Gaze, die das Gesicht verbarg, genau erkennen können. Und Skeletten fehlt, wie Sie wissen, der Nasenfortsatz. Er besteht aus Knorpel, der …«
    »Mrs. Emerson«, schrie Howard entsetzt auf. Ich hielt inne und warf ihm einen mißfälligen Blick zu. »Entschuldigen Sie bitte«, fuhr er in ruhigerem Ton fort. »Ich hätte Sie nicht anschreien dürfen, aber das ist das Merkwürdigste, was ich jemals gehört habe.«
    »Nein«, sagte eine unterdrückte Stimme. »Das ist keineswegs merkwürdig. Sie findet häufig welche. Ganz frische Leichen.«
    »Ich tue das nicht absichtlich, Abdullah. Außerdem habe ich diese hier nicht gefunden. Es war Ramses. Nimm ein gekochtes Ei, das wird dir guttun. Tatsächlich ist diese eine der ungewöhnlicheren Leichen, die mir begegnet sind. Außer dem Haar, das sie offen trägt, ist sie nach altägyptischem Muster bandagiert. Sozusagen«, fügte ich noch hinzu und hielt inne, um einen Bissen von meinem Ei zu essen. »Die äußere Hülle besteht aus Brokatseide und ist mit Satinbändern umwickelt. Wie Sie beide wissen, war den alten Ägyptern Seide unbekannt. Dieser Stoff ist zwar etwas ausgeblichen, aber die ursprünglichen Farben sind immer noch erkennbar und deuten ganz offensichtlich auf moderne Fertigungsverfahren hin.«
    Meine Gefährten hatten sich wieder erholt. Abdullah schälte mürrisch eine Orange, und Howard bekundete mit leuchtenden Augen Interesse, nachdem sein Erstaunen etwas abgeflaut war.
    »Ist es der Zustand des Stoffs, der Sie ein Datum innerhalb der letzten zehn Jahre vermuten läßt?« fragte er respektvoll.
    »Nein. Ich habe das Muster erkannt. Mr. Worth, der berühmte Modeschöpfer, verwendete es für eine Ballrobe, die er vor acht Jahren … ich glaube, für Lady Burton-Leigh … entworfen hat. Er war – denn mittlerweile ist er verschieden – ein Avantgardist der Modewelt, deshalb kann das Muster nicht sehr viel früher imitiert worden sein.«
    »Unglaublich!« entfuhr es Carter.
    »Mein lieber Howard, das ist nur einer der Schlüsse, den ein geübter Beobachter ziehen kann. Ich weiß beispielsweise auch, daß die Besitzerin des Kleides gut betucht war. Selbst wenn es nicht bei Mr. Worth persönlich gekauft worden ist, sondern erst später von einem der preisgünstigeren Modeschöpfer, die ihn imitieren, ist der Stoff allein schon sehr teuer. Das besagt aber noch nicht, daß der Körper notwendigerweise der der Frau sein muß, der das Kleid gehörte. Allerdings

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