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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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gönnerhaft. »Komm schon, Ramses. Wieso kannst du denn das Alter der Umhüllung im Licht einer einzigen Kerze einschätzen?«
    »Weil«, sagte Ramses, »sie mit Blüten aus Seide bestickt ist.«
    Howard brach in schallendes Gelächter aus. »Richtig gut, junger Mann! Sie haben wirklich Sinn für Humor entwikkelt.«
    »Lächerlich«, entfuhr es mir. »Du hast dich getäuscht, Ramses.«
    Nefret, auf deren Schultern Emersons Griff lastete, meinte: »Wie könnte ein Mann jemals erkennen, daß es sich um Stickereien aus Seide handelt. Laß mich einmal schauen.«
    Emerson sagte: »Nicht ohne meine Erlaubnis, junge Dame.«
    Ramses’ Blick traf auf den seines Vaters. »Du willst sicher Photos, bevor wir es ausheben. Es ist ein ziemlich … ungewöhnlicher Anblick.«
    »Ah«, sagte Emerson. »Du empfiehlst also eine Exkavation, nicht wahr?«
    »Ich glaube«, bemerkte Ramses seltsam betont, »daß uns gar keine andere Wahl bleibt.«
    Er weigerte sich, uns zu beschreiben, was er gesehen hatte, und beteuerte, daß ihm ohnehin keiner von uns glauben würde. Auch wenn seine Erklärung zweifellos als Provokation an Nefret (und mich) gerichtet war, war sie zutreffend; wir alle wollten es selbst sehen. Also glitt Emerson in das Loch hinab und hob mich dann zu sich hinunter.
    Seine Kerze gab nur wenig Licht, aber das war ausreichend. Die verhüllte Gestalt lag in der Nähe des Eingangs, ihre Füße in Richtung Tür. Emerson hielt den Atem an und stieß die Luft dann mit einem leisen Fluch aus.
    Was die Seidenblumen anging, hatte Ramses recht gehabt. Der Stoff bedeckte die Gestalt wie die Leinenbandagen, die die altägyptischen Einbalsamierer als letzte äußerste Umhüllung verwendeten. Die frühen Ägypter hatten Stoffstreifen benutzt, um die Leichen an Knöcheln, Knien, Schultern und Genick zusammenzubinden. In diesem Fall schienen die Bandagen aus verschossenem Seidenband zu sein – das sicherlich einmal blau gewesen war, jetzt aber eine triste graue Farbe aufwies. Das Gesicht war mit einer so feinen Gaze überzogen, daß die Gesichtszüge erkennbar blieben, und das Haar war sorgfältig frisiert worden und umrahmte das Gesicht in langen blaßblonden Korkenzieherlocken.
    Als ich wie gebannt dorthin starrte, wurde ich von einem schrecklichen Déjà-vu-Gefühl heimgesucht. Ich brauchte nicht lange, um meiner Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Eine Mumie wie diese hatte ich noch nie zuvor gesehen. Es hatte auch noch niemals eine solche Mumie gegeben – außer in Romanen. Die Helden romantischer Erzählungen stießen immer auf perfekt konservierte Körper alter Ägypter oder, in manchen Fällen, auf die Völker einer vergangenen Zivilisation. Diese Relikte waren stets weiblich, erstaunlich schön und in durchsichtige Stoffe gehüllt, die ihre Reize kaum verbergen konnten. Der unglückliche junge Mann, der eine fand, war umgehend in hoffnungslose Leidenschaft verstrickt.
    »Ach, du meine Güte«, murmelte ich.
    »Ein treffendes Bonmot, Peabody.« Emerson zog seinen Arm weg und reichte mir die Kerze. Dann nahm er das von Ramses entfernte Holzbrett, legte es über das Loch und brachte es mit einigen Faustschlägen wieder an Ort und Stelle. Nefret, die am Rande der Ausgrabung saß und nach unten blickte, schrie auf.
    »Du wirst es noch früh genug sehen«, sagte Emerson, hob mich aus dem Loch und kletterte neben mich. »Abdullah, sorg dafür, daß die Männer anfangen … Nein. Rührt nichts an, bis ich zurückkehre. Peabody, bleib hier bei ihm, und kümmere dich darum, daß hier niemand irgend etwas in Unordnung bringt. Die anderen kommen mit mir.« Während er noch sprach, hatte er sich bereits mit Riesenschritten in Bewegung gesetzt. Die anderen trotteten hinter ihm her. Nefret hatte sich bei Ramses eingehakt und bombardierte ihn mit Fragen.
    Ich säuberte einen Felsblock und setzte mich darauf. »Er meinte nicht, daß Sie auch mitgehen sollten«, erklärte ich Howard, der Emerson verunsichert nachblickte. »Möchten Sie einen Schluck kalten Tee?«
    »Nein, danke.« Howard blickte von mir zu Abdullah, der sich im Schneidersitz auf dem Boden niedergelassen hatte und mich ungerührt beobachtete. »Wohin geht er? Was ist da unten? Warum hat er …«
    »Sie nehmen doch besser einen Schluck Tee«, sagte ich und untersuchte den Proviantkorb, den ich mir hatte bringen lassen. »Orangen? Belegte Brote? Gekochte Eier?«
    Ich warf ihm ein Ei zu und reichte den Korb an Abdullah weiter. Er nahm ihn, ohne seinen Blick von mir abzuwenden, und

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