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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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der ihn sozusagen hautnah betrachtet hatte. Jetzt wählte er eine scharfe Schere aus seinen zurechtgelegten Instrumenten aus und schnitt mit ruhiger Hand durch den Gazestoff, der das Gesicht bedeckte.
    »Beachten Sie«, sagte er im teilnahmslosen Tonfall eines Anatomen, »daß die Maske von Stoffstreifen gehalten wird, die hinter dem Kopf verknotet sind. Wir werden die Knoten genauer untersuchen, möglicherweise sind sie von Bedeutung. Nun also …«
    Er hatte rund um das gesamte Gesichtsoval geschnitten. Dann legte er die Schere beiseite, berührte den Stoff zu beiden Seiten des Gesichts mit seinen Fingerspitzen und hob ihn mit äußerster Vorsicht hoch.
    Es war eine steife, vorgeformte Maske. Die zarten Gesichtszüge bestanden aus Stoff und nicht aus menschlicher Haut.
    Wenn ich ein solches Gesicht in einem geschmückten Sarg oder Steinsarkophag gesehen hätte, hätte ich es für recht gut präpariert gehalten – es war sehr viel besser erhalten als bei vielen anderen Mumien, die ich kannte. Die Nase war nicht durch enge Bandagen flachgedrückt worden, die Wangen waren zwar eingesunken, aber unversehrt, und die Farbe der Haut war gelb und nicht braun. Die welken Augenlider waren geschlossen. Doch die vertrocknete Haut hatte sich in Tausende von kleinen Fältchen gelegt, und die Lippen waren geschrumpft und legten die Vorderzähne frei. Das welke, tote Gesicht mit dem Kranz aus fahlblondem Haar war ein entsetzlicher Anblick.
    »Ich frage mich, was Mr. Fraser zu diesem Anblick sagen würde.«
    Ramses unterkühlte, sachliche Stimme brach den Zauber. Ich holte tief Luft und verbarg meine unfachmännischen Gefühle hinter einer ähnlich kühlen Reaktion. »Meinst du, wir sollten ihn zu einer Begutachtung einladen?«
    »Gütiger Himmel, nein!« entfuhr es Emerson. »Wie könnt ihr in einem solchen Augenblick an Fraser denken? Wir haben ein weitaus ernsteres Problem zu lösen. Was sagen Sie dazu, Vandergelt? Erkennen Sie sie wieder?« Cyrus, der das grauenvolle Gesicht angestarrt hatte, hob seine vor Entsetzen geweiteten Augen. »Heiliger Strohsack, Emerson, wie sollte das jemand wiedererkennen können? Ich habe die Dame nur wenige Male getroffen. Gütiger Himmel, ihr eigener Ehemann würde sie nicht wiedererkennen!«
    »Wir wollen hoffen, daß es nicht soweit kommt«, sagte Howard ernst. Er stand neben Nefret und mußte ihr wohl stützend einen Arm um ihre Taille gelegt haben – wie das jeder Gentleman tun würde –, denn sie lächelte ihn schwach an.
    »Danke, Mr. Carter, aber ich bin nicht im geringsten in Sorge, daß ich in Ohnmacht fallen könnte.«
    Howard errötete, und Ramses, der seine Arme verschränkt hatte, meine stirnrunzelnd: »Es gibt andere, genauere Identifikationsmethoden. Was denkst du von den Zähnen, Nefret?«
    »Ich versuche, überhaupt nicht an sie zu denken.« Aber das berufliche Interesse besiegte den Ekel des Mädchens; sie trat näher an den Tisch heran und beugte sich vor. »Die Schneidezähne scheinen unversehrt zu sein und weisen keine Anzeichen von Karies auf, aber wie du sehr wohl weißt, Ramses, könnte nur eine fachmännische zahnmedizinische Untersuchung eine Bestimmung ihres Alters ergeben.«
    »Der Körper weist keine Narben und sonstige sichtbaren Verletzungen oder Knochenbrüche auf«, sagte ich. »Auch ihr Gesicht nicht. Wenn nicht der Schädel …«
    »Ich muß dich leider darüber informieren«, sagte Emerson, »daß der Schädel unversehrt ist. Ich konnte mich davon vergewissern, als ich sie – es – hochhob.«
    »Das scheint dann alles zu sein, was wir über ihren Kopf in Erfahrung bringen können«, sagte ich schroff. »Fahre fort, Emerson.«
    Emerson griff erneut zur Schere. Cyrus meinte unbehaglich: »Für uns Männer ist es vielleicht nicht schicklich, das arme Geschöpf zu betrachten.«
    »Dann drehen Sie sich doch um«, sagte Emerson und schnitt vorsichtig weiter. »Wobei ich glaube, daß die äußere Umhüllung nur eine von vielen ist. Ihrer Sensibilität zum Trotz, Vandergelt, und im Einklang mit der Wissenschaft werde ich versuchen, sie Schicht für Schicht zu entfernen. Ach ja, wie ich befürchtete …«
    Wenn die Situation es erforderlich macht, können Emersons große braungebrannte Hände eine Behutsamkeit an den Tag legen, die meine vielleicht sogar noch übertrifft. Kein Reißen oder Ziehen verunstaltete die blaßblaue Seide, als er sie vorsichtig beiseite streifte. Darunter befand sich allerdings nicht die Bandagierung, wie man sie bei klassischen Mumien

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