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Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor

Titel: Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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hatte, ihn zur Obduktion der Leiche zu begleiten, entdeckte ich, daß ich keineswegs so tolerant war wie von mir angenommen.
    Wir anderen befanden uns auf der Veranda und nahmen den Tee ein, als sie und Ramses heranritten, und ein Blick in ihr Gesicht bewies mir, daß sie anderes in Luxor erledigt hatte als die von ihr vorgeschobenen Anstandsbesuche. Ramses’ Gesicht war wie in Stein gemeißelt, ein gewisser Hinweis auf irgendeine starke und von ihm absolut kontrollierte Emotion. Sie ignorierte seinen Versuch, ihr beim Absitzen zu helfen, sprang aus dem Sattel, warf dem Stallburschen die Zügel zu und gesellte sich zu uns an den Teetisch.
    »Möchtest du ein Stück Kuchen?« fragte ich und reichte ihr die Platte. Der Kuchen war besonders gehaltvoll, mit Nüssen und Datteln gefüllt und mit einer dicken Zuckerglasur überzogen. Nefret schluckte und wandte ihren Kopf ab. »Nein, danke.«
    »Ah«, sagte ich. »Also warst du mit Ramses unterwegs. Nefret, ich habe dir strengstens verboten …«
    »Nein, Tante Amelia, hast du nicht. Zweifellos hättest du es getan, wenn du daran gedacht hättest, aber das hast du nicht.« Sie warf mir ein eher angestrengtes Lächeln zu, während sie ihre Hand ausstreckte, um Emersons durchtrainierten Arm zu tätscheln. »Professor, Schätzchen, hör auf zu schimpfen. Bitte berücksichtige, daß ich die einzige von uns bin, die eine medizinische Ausbildung absolviert hat.«
    »Ihr war übel«, sagte Ramses. Mit verschränkten Armen vor der Mauer lehnend, fixierte er seine Schwester mit kritischem Blick.
    »Erst ganz am Schluß! Du warst selbst grün um die Nase.« Sie griff nach einem Stück Kuchen und schob es ihm zu. »Hier, nimm einen Bissen.«
    »Nein, danke«, sagte Ramses und verdrehte die Augen.
    »War es so schlimm?« fragte ich.
    »Ja.« Nefret legte das klebrige Kuchenstück zurück auf die Platte und wischte ihre Finger an einer Serviette ab.
    »Ja.« Ramses war zu dem Beistelltisch gegangen. Er kehrte mit zwei Gläsern Whiskey Soda zurück und reichte Nefret eines davon. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, Mutter. Wie du schon des öfteren erwähnt hast, ist die medizinische Indikation guten Whiskeys …«
    »Ganz recht«, stimmte ich zu.
    Ramses hob sein Glas und prostete Nefret zu. Dann nahm er einen ordentlichen Schluck. Nachdem er sich auf seinen Lieblingsplatz auf dem Verandasims gesetzt hatte, bemerkte er: »Sie hat die Wunden genauer untersucht, als ich es gewagt hätte. Sie schienen sich mit der geäußerten Vermutung zu decken.«
    »Was denn, ein Krokodil?« entfuhr es mir. »Ramses, du weißt ganz genau …«
    »Peabody.« Emerson hatte sich wieder in der Gewalt. Sein Ton war ruhig, sein Gesichtsausdruck gefaßt – außer einem gewissen Glitzern in seinen blauen Augen. »Hältst du das für einen angemessenen Gesprächsstoff zum Tee?«
    »Viele unserer Gesprächsinhalte wären für zartbesaitetere Gemüter unangemessen«, entgegnete ich. »Wenn die jungen Leute schon die Unannehmlichkeit auf sich nehmen, den Leichnam zu begutachten, ist es doch das mindeste, daß wir uns ihre Schilderung anhören. Äh … bitte sei doch so gut und mach mir auch einen Whiskey Soda.«
    »Pah«, sagte Emerson. Doch er erfüllte meine Bitte und holte sich ebenfalls ein Glas. David lehnte das Angebot ab. Außer einem gelegentlichen Glas Wein nahm er keinen Alkohol zu sich. Zumindest nicht in meiner Gegenwart.
    Horus streichelnd, der sich auf ihrem Schoß breitgemacht hatte, sagte Nefret: »Ich werde nicht ins Detail gehen, liebster Professor. Die Wunden waren vergleichbar mit denen, die einem ein Tier mit riesigem Fang und langen, scharfen Zähnen zufügen kann. Da wir wissen, daß solche Tiere nicht in diesem Gebiet leben, müssen wir davon ausgehen, daß sie mit irgendeinem Werkzeug von Menschenhand ausgeführt wurden. Ich wurde an die eiserne Jungfrau erinnert, die wir in Nürnberg im Museum gesehen haben.«
    »Gütiger Himmel«, rief ich. »Willst du damit sagen, daß jemand ein mittelalterliches Folterwerkzeug eingeführt hat?«
    »Hör auf damit, Peabody«, sagte Emerson, der seine Skrupel vergessen hatte und überaus interessiert lauschte. »Die sogenannte eiserne Jungfrau hatte die Größe und Form eines menschlichen Körpers, und auf der Innenseite ihrer Rücken- und Frontpartie waren Eisenspitzen angebracht. Sobald der Deckel geschlossen wurde, drangen die Dorne in den Körper des Opfers ein. Der gleiche Effekt ließe sich mit einem weniger komplexen Mechanismus erzeugen –

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