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Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken

Titel: Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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du«, konterte ich und wünschte mir, er hätte mein Gehör nicht so malträtiert. Emersons Flüsterton ist genauso penetrant wie ein Schrei.
    »Ja, das sage ich.« Ein zweiter Arm umschlang mich und zog mich näher heran.
    »Ich dachte, du würdest noch schlafen.«
    »Offensichtlich bin ich wach.«
    Ganz offensichtlich.
    Falls er mich auf andere Gedanken bringen wollte, gelang ihm das, allerdings nur vorübergehend. Als ich schließlich aufstand und mich ankleidete, ging die Sonne auf. Im Einklang mit meiner Gemütsverfassung handelte es sich nicht um die schimmernden Rosatöne des gewohnten Sonnenaufgangs, sondern um ein trübes Grau. Nebelschleier hingen vor den Fenstern. Mir war klar, daß die Sonne den Nebel vermutlich innerhalb weniger Stunden auflösen würde, trotzdem verstärkte dieser Anblick meine trübsinnige Stimmung, die sich nach Emersons liebevoller Aufmerksamkeit erneut eingestellt hatte. Genau wie die Dunkelheit ist der Nebel eine große Hilfe für Attentäter.
    Als ich zum Frühstück hinunterging, war ich erleichtert, Lia bereits dort anzutreffen. Nefret ebenfalls, doch im ersten Moment hatte ich nur Augen für meine Nichte, deren Begrüßung mir signalisierte, daß meine Besorgnis unbegründet war.
    »David wird in Kürze hier sein. Er und Ramses haben die ganze Nacht diskutiert.«
    »Ah«, entfuhr es mir. »Kommt Ramses auch?«
    »Er ist zum Harvard Camp aufgebrochen.« Sie lächelte mitfühlend. »Mach dir keine Gedanken, Tante Amelia. Ich habe dafür gesorgt, daß Ramses zuvor sein Frühstück einnahm.«
    »Hmhm«, meinte Emerson. Er blickte zu Nefret, deren unberührter Frühstücksteller Bände sprach. »Was ist denn los mit dir? Fühlst du dich nicht gut?«
    »Nein, Sir.« Sie hätte es dabei belassen, doch Emerson stechender Blick läßt sich nur schwerlich ignorieren. »Ich habe schlecht geschlafen«, gab sie zu.
    »Hast du wieder einen Traum gehabt?« wollte ich wissen.
    »Ja.« Sie nahm ihre Gabel und stocherte in ihrem Rührei herum.
    Mir war klar, daß sie das nicht vertiefen wollte. Sie sprach nie über diese Alpträume, die sie schon seit Jahren heimsuchten. Sie traten zwar unregelmäßig auf, waren aber entsetzlich, und sie behauptete stets, daß sie sich nicht daran erinnern könnte. Das bezweifelte ich; aber meine Versuche, sie zu einem Gespräch mit mir oder mit einem medizinischen Fachmann zu motivieren, hatten zu nichts geführt.
    Schon bald gesellten sich die anderen zu uns: erst David und wenige Minuten später dann Geoffrey. Fatima war im siebten Himmel, daß sie so viele Leute bewirten durfte. Ständig drängte sie uns irgendwelche Köstlichkeiten auf und servierte uns immer wieder neue Teller mit dampfendheißen Speisen. Wir langten hungrig zu; doch als ich den Tisch überblickte, gewann ich den Eindruck, daß ich noch nie so viele ausgemergelte Gesichter und schlaffe Augenlider gesehen hatte. Die einzigen, die mir normal erschienen, waren Geoffrey und Emerson. Ich fragte mich, wieso der Bursche gut geschlafen hatte, während seine Frau von Alpträumen geplagt worden war … Und dann wies ich den schrecklichen Gedanken weit von mir, der mir plötzlich durch den Kopf schoß.
    Als fühlte er sich beobachtet, hob Geoffrey den Kopf und grinste mich fröhlich an. »Du hättest uns gestern abend begleiten sollen, Tante Amelia. Ich hatte ein überaus anregendes Gespräch mit Sir John.«
    »Davon will ich nichts hören«, erklärte Emerson. »Es wird Zeit zum Aufbruch.«
    Ich schlug vor, den Weg über das Plateau von Gizeh zu nehmen, doch Emerson mißinterpretierte meine Motive und weigerte sich so wortgewaltig, daß jedes Argument zwecklos war. Das von ihm vorgegebene Tempo ließ erst gar keine Diskussion aufkommen. Bei unserer Ankunft bat er uns, gemeinsam mit Selim und Daoud, zu einer Besprechung.
    »Die Grabungsarbeiten auf den Friedhöfen werden vorübergehend eingestellt«, verkündete er. »Heute beginnen wir, den Schacht freizulegen. Durchgängig.«
    Dieser unvorhergesehene und widersinnige Entschluß wurde von denen, die Emerson zur Genüge kannten, kommentarlos hingenommen. Als ich bemerkte, daß Geoffrey mit weit aufgerissenen Augen auf Einwände sann, mischte ich mich ein, um dem Burschen die zweifellos abfällige Reaktion meines Gatten zu ersparen.
    »Es liegt mir fern, den diktatorischen Charakter deiner Entscheidungen in Frage zu stellen, Emerson«, warf ich ein, »aber könntest du mir vielleicht trotzdem erklären, warum du das vorhast und was du damit bezwecken

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