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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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einen speziellen … Ich denke, du weißt, welchen. Vermutlich fällt dir auf, dass ich heute Abend in merkwürdiger Stimmung bin. Ich habe diesen Brief immer wieder hinausgezögert, weil ich dir so viel erzählen möchte, was sich eigentlich nicht zu Papier bringen lässt.
    Der Gedanke, dass ein Fremder – oder, schlimmer noch, eine mir bekannte Person – diese Briefe lesen könnte, geht mir nicht aus dem Kopf; es ist, als würde jemand hinter der Tür lauern und unsere intimen Geheimnisse und Geständnisse belauschen.
    Deshalb werde ich mich auf die Fakten beschränken. Tante Amelia und ich sind heute Abend allein. Der Professor und Ramses sind ausgegangen. Bei Kerzenschein und geschlossenen Vorhängen wirkt dieser bedrü ckende Salon beinahe gemütlich, vor allem, wenn Tante Amelia Socken stopft. Ja, du hast richtig gehört: Sie stopft Socken! Von Zeit zu Zeit überkommen sie diese hausfraulichen Attacken, der Himmel weiß, warum. Da sie mit derselben Gründlichkeit handarbeitet, wie sie alles tut, haben die Strümpfe riesige Spitzen oder Fersen und die unglücklichen Träger letztlich Blasen. Ich denke, Ramses wirft seine taktvoll und in aller Heimlichkeit weg, doch der Professor, der sie gedankenlos überstreift, humpelt fluchend darin herum.
    Ich nehme alles zurück. Der Raum ist nicht gemütlich. Er wird es nie sein. Ein flauschiges Haustier könnte Abhilfe schaffen, aber die Welpen darf ich nicht ins Zimmer lassen; sie nagen an den Möbeln und beschmutzen die Orientteppiche. Ich vermisse sogar Horus, dieses hinterhältige Vieh! Ich hätte ihn ohnehin nicht mitbringen können, da er sich nicht von Sennia trennt, dennoch wünschte ich mir eine eigene Katze. Seshat verbringt die meiste Zeit in Ramses’ Zimmer.
    Eines Tages, wenn wir wieder alle zusammen sind, werden wir ein schöneres Haus finden oder eins bauen. Es wird groß und weitläufig sein, mit Innenhöfen und Springbrunnen und Gärten und so vielen Zimmern, dass wir alle zusammenwohnen können – uns aber nicht einengen! Wenn es dir lieber ist, werden wir unser gutes altes Hausboot, die ›Amelia‹, aus dem Trockendock holen, für dich und David und das Kind. Eines Tages wird es so sein. Es muss so sein.
    Gütiger Himmel, ich klinge wie eine kleine alte Dame, die mit zitternder Stimme ihre Jugenderinnerungen zum Besten gibt. Lass mich nachdenken, was ich dir an Neuigkeiten berichten kann.
    Du hast dich nach dem Hospital erkundigt. Man muss Geduld haben; es wird eine Weile dauern, bis die »ehrbaren« Damen – und ihre konservativen Ehemänner – überzeugt sind, dass wir ihre moralische Gesinnung und ihre religiösen Prinzipien nicht brüskieren wollen. Eine viel versprechende Entwicklung bahnt sich an. Heute Morgen hatte ich einen Besucher – keinen anderen als el-Gharbi, den einflussreichsten Zuhälter von el Was’a. Es heißt, dass er nicht nur die Prostitution überwacht, sondern jede illegale Aktivität in diesem Bezirk. Auf dem Weg in die alte Klinik bin ich ihm ein- oder zweimal begegnet – er ist unverkennbar, wenn er auf der Mastababank vor einem seiner »Etablissements« sitzt, Frauenkleidung und klimpernden Goldschmuck trägt. Als er heute in seiner Sänfte und mit Begleiter auftauchte – beide jung und attraktiv, elegant gekleidet und schwer bewaffnet –, fiel unser armer alter Portier fast in Ohnmacht. Überstürzt begab er sich auf die Suche nach mir. Offenbar hatte el-Gharbi ihm meinen Namen genannt. Als ich erschien, saß er im Schneidersitz in seiner Sänfte, wie eine groteske Statue aus Ebenholz und Elfenbein, verschleiert und schmuckbehangen. Den Patschuliduft roch ich auf zehn Meter Entfernung.
    Nachdem ich der Familie davon berichtet hatte, stand der Professor kurz vor einem Tobsuchtsanfall. Während er fluchte und schimpfte, wiederholte ich unser denkwürdiges Gespräch. Das Mädchen, das ich in der Nacht zuvor operiert hatte, war eines von seinen; er hatte es zu mir geschickt. Er war persönlich gekommen, weil er so viel von mir gehört hatte und sich selbst ein Bild von mir machen wollte. Merkwürdig, nicht wahr? Ich kann mir nicht vorstellen, warum ihn das interessieren sollte.
    Habe ich ihn zurechtgewiesen (ich weiß eine Menge zutreffender arabischer Begriffe für Männer wie ihn) und ihm erklärt, dass er meine Schwelle nie wieder betreten darf? Nein, Lia, das habe ich nicht. Früher hätte ich vielleicht entsprechend reagiert, aber inzwischen weiß ich es besser. Es hat keinen Sinn zu lamentieren, dass die Welt

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