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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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»Katherine erinnert uns an unser Versprechen, sie in Abu Sir zu besuchen.«
    Wie von der Tarantel gestochen sprang Emerson auf. »Verflucht!«
    »Was ist denn, Emerson?«, kreischte ich entsetzt. »Hat es mit diesem Brief zu tun?«
    »Nein. Äh – ja.« Emerson zerknüllte die Depesche und schob sie in seine Jackentasche. »Teilweise. Maxwell bittet mich, an einem morgigen Treffen teilzunehmen – ein weiteres Beispiel für diese verfluchten Ablenkungen, die uns in dieser Saison plagen! Ich wollte schon vor einigen Tagen nach Abu Sir fahren.«
    »Ein Krieg sorgt bekanntermaßen für Verwirrung«, meinte Nefret süffisant. »Vermutlich bist du der einzige Mann in diesem Komitee, der weiß, wovon er spricht, Professor; du erweist Ägypten einen großen Dienst.«
    Emerson brummte: »Hmhm«, und Nefret beeilte sich hinzuzufügen: »Er kann nicht ewig dauern. Eines Tages …«
    »Ganz recht«, mischte ich mich ein. »Du wirst deine Pflicht erfüllen, Emerson, und wir werden das auch tun, und eines Tages …«
    Nefret und ich verbrachten mehrere Stunden in der Dunkelkammer. Als wir wieder auftauchten, waren Emerson und Ramses verschwunden.
Aus Manuskript H
    Ramses erinnerte sich noch an die Zeit, als Kutschen, Kamele und Esel die Touristen über einen staubigen, von fruchtbaren Feldern gesäumten Pfad zu den Pyramiden brachten. Jetzt machten Taxis und andere Automobile den Fußgängerverkehr zum gefährlichen Wagnis und das einst abgeschiedene Dorf Gizeh wurde von neuen Häusern und Villen fast erdrückt. Der Baedeker, die Bibel eines jeden Touristen, beschrieb es als uninteressant, doch auf Grund der Straße oder des Bahnhofs passierten es alle Pyramidenbesucher, und die Bewohner stürzten sich wie eh und je auf sie, verkauften gefälschte Antiquitäten und verliehen ihre Esel. Nach Einbruch der Dämmerung war der Ort wie ausgestorben, da er nur wenig zu bieten hatte: einige Geschäfte, Cafés und Bordelle.
    Das von Ramses bevorzugte Café befand sich ein paar hundert Meter westlich des Bahnhofs. Es war beileibe nicht so luxuriös wie die entsprechenden Lokalitäten in Kairo: ein gestampfter Lehmboden statt Fliesen oder Ziegeln, einfache Holzstämme flankierten die offene Front. Als er näher kam, vernahm Ramses eine Stimme, die sich rhythmisch hob und senkte und gelegentlich von anerkennendem Gelächter oder Zurufen unterbrochen wurde. Ein Vorleser oder Geschichtenerzähler sorgte für Unterhaltung. Er musste schon seit einiger Zeit dort sein, denn er schien tief versunken in die Verwicklungen einer unendlichen Geschichte mit dem Titel »Das Leben des Abu-Zayd.«
    Einige Lampen, die von den Holzstämmen herabhingen, warfen ihr Licht auf den Sha’er, der auf einem Schemel auf der Mastababank vor dem Kaffeehaus thronte. Er war mittleren Alters und trug einen gepflegten schwarzen Bart; seine Hände umklammerten die einsaitige Viola und den Bogen, mit denen er seine Erzählung untermalte. Seine Zuhörer saßen um ihn herum auf der Steinbank oder auf Schemeln und rauchten Pfeife, während sie andächtig lauschten.
    Die Geschichte – teils Prosa, teils Ballade – beschrieb die Abenteuer von Abu-Zayd, besser bekannt als Barakat, Sohn eines Emirs, der ihn verstoßen hatte, weil seine dunkle Hautfarbe gewisse Zweifel an der ehelichen Treue seiner Mutter aufwarf. Der Emir tat seiner Gemahlin unrecht; Barakats Hautfarbe war das Geschenk eines musisch angehauchten Gottes, als Reaktion auf das Bittgesuch der Dame:
    »Bald stieg aus dem Gewölbe des Himmels herab ein schwarz gefiederter Vogel von gewaltigem Gewicht, stürzte sich auf die anderen Vögel und tötete sie alle. Ich rief zu Gott – Oh, sei mit mir!
    Schenk mir einen Sohn wie diesen edlen Vogel.«
    Ramses verharrte im Dunkel und lauschte andächtig der getragenen, melodischen Stimme. Die Geschichte mutete genauso brutal und blutrünstig an wie jedes westliche Epos, und sie war in praktische Abschnitte oder Kapitel unterteilt, die jeweils mit einem Bittgesuch endeten. Als der Erzähler das Ende des aktuellen Teils erreichte, trat Ramses vor und stimmte mit den anderen in das abschließende Gebet ein.
    Er und sein Vater gehörten zu den wenigen Europäern, die die Ägypter wie Moslems anredeten – vermutlich deshalb, weil Emersons religiöse Einstellung oder deren Fehlen es schwierig gestaltete, ihn einzuordnen. »Wenigstens«, hatte ein weiser Redner einmal bemerkt, »ist er kein verfluchter Christ.«
    Emerson hatte das im höchsten Maße belustigend gefunden.
    Ramses

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