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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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eine reizende kleine falsche Tür mit einer in den Stein gehauenen Büste des Besitzers, der aussah, als entstiege er der Welt der Toten, um die vor ihm auf dem Tisch ausgebreiteten Grabbeigaben einzukassieren. Ramses stolzierte durch den Raum, las die Fragmente der Inschriften und kommentierte sie: »›Die Grabbeigaben des Königs aus Brot und Bier, Ochsen und Geflügel, Alabaster und Kleidung … vom Guten das Beste und alles im Überfluss …‹ Sie waren ausgesprochen praktisch veranlagt, nicht wahr? Haben alles einkalkuliert, für den Fall, dass irgendein wünschenswerter Gegenstand übersehen werden könnte. ›Auserwählt von Osiris, Herr von Busiris …‹ Nichts Neues, lediglich die üblichen Floskeln.«
    »Dann stell deinen Vortrag ein und hilf Nefret bei den Fotos«, befahl Emerson.
    Dieser Vorgang gestaltete sich komplexer als vielleicht vermutet, denn die Fotos waren die Vorstufe zu der von Ramses entwickelten Methode, Reliefs und Inschriften zu übertragen. Sie mussten aus sorgfältig gemessener Entfernung gemacht werden, um eine einwandfreie Belichtung zu gewährleisten. Dann wurden Probeabzüge entwickelt und mit der entsprechenden Wand verglichen. Die Endversion dokumentierte nicht nur die Reliefs, sondern jeden Kratzer, jede Unebenheit auf der Oberfläche. Hinsichtlich seiner sprachwissenschaftlichen Begabung kannte Ramses keine falsche Bescheidenheit, dennoch hätte er unumwunden eingeräumt, dass irgendein zukünftiger Wissenschaftler etwas finden könnte, was er in diesen scheinbar undefinierbaren Kratzern übersehen hatte. Es war eine ausgesprochen exakte Methode, die jedoch viel Zeit beanspruchte.
    Ramses legte seinen Zollstock an. Ich ging hinaus, um mich zu Emerson zu gesellen, der den Männern, die den Bereich südlich der Mastaba freilegten, Anweisungen erteilte. Der Zwischenraum zwischen unserer und der nächsten war ausgefüllt mit baulichen Erweiterungen und/oder späteren Gräbern. Überall waren Reste von Mauerwerk, die wie ein undurchdringliches Labyrinth wirkten. Falls es mir nicht ohnehin schon aufgefallen wäre, hätte Emersons finstere Miene mir klargemacht, dass er sich der schwierigen Aufgabe widmete, diese zuzuordnen.
    »Komm her!«, brüllte er und winkte mir zu.
    Also ging ich zu ihm und machte Notizen, während er Messungen durchführte und mir Zahlen und knappe Anmerkungen zurief.
    Meine Gedanken schweiften ab. Es war mir gelungen, Ramses beiseite zu nehmen und ihm einige Informationen abzuringen. Er wollte mir nicht sagen, wohin er an jenem Abend aufbrechen musste, nannte mir aber eine grobe Schätzung der von ihm benötigten Zeitspanne. Mindestens zwei Stunden, vermutlich nicht mehr als drei.
    »Vermutlich«, wiederholte ich.
    »Um auf der sicheren Seite zu sein, kalkulieren wir besser großzügig. Ich würde vorschlagen –«
    Was er vorschlug, war Folgendes: Ich sollte über Müdigkeit oder Unwohlsein klagen und Emerson bitten, mich in einer der Orchesterpausen nach Hause zu fahren. Cyrus und Katherine würden sich mit dem größten Vergnügen um Nefret kümmern, und wenn Ramses nicht wieder auftauchte, würden die anderen annehmen, dass er uns begleitete. Auf Grund der Menschenmenge, der allgemeinen Verwirrung und eines gewissen Quantums an Alkohol standen die Chancen gut, dass es funktionierte.
    Blieb nur noch ein Problem: Wie ließ sich die Tatsache vor Ramses verbergen, dass sein Vater ihm an diesem Abend folgen wollte – denn anders konnte Emerson nicht verfahren, wollte er eine Auseinandersetzung vermeiden. Emerson mag die Psychologie nach Herzenslust verteufeln, für mich hingegen war es ein Leichtes nachzuvollziehen, warum Ramses die Unterstützung seines Vaters ablehnte. Sämtliche Kapazitäten auf diesem Gebiet äußern sich dahingehend, dass alle Jungen im Verlauf des Erwachsenwerdens eine solche Phase durchleben, und einem Vater wie Emerson gerecht zu werden, würde jeden Menschen auf eine harte Probe stellen.
    Es fiel mir schwer, mich auf meine Überlegungen zu konzentrieren, da Emerson verlangte, dass ich die Zahlen wiederholte, die er mir zubrüllte, deshalb gab ich es vorübergehend auf. Zweifellos wird mir etwas einfallen, sinnierte ich; anders kann es gar nicht sein.
    Wir beendeten die Arbeit etwas früher als gewöhnlich, da Katherine und Cyrus mit uns dinierten. Mir war etwas eingefallen. Mir war klar, dass Emerson meine Idee überhaupt nicht zusagen würde. Ich selbst hatte gewisse Vorbehalte, verdrängte diese jedoch. Emerson würde seine

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