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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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zerrte ich an Nefrets Ärmel und deutete auf meine Taschenlampe. Sie schüttelte den Kopf und fasste meine Hand.
    Das Fenster befand sich im Parterre eines kleinen Gebäudes innerhalb der Außenmauern. Irgendwann einmal war es vielleicht ein Pavillon oder ein Lustschlösschen gewesen. In geduckter Haltung und entsetzlich langsam näherten wir uns; dann hoben wir den Kopf gerade so weit, dass wir vorsichtig ins Innere spähen konnten.
    Es mutete seltsam an, in einem verlassenen Palast aus dem 18. Jahrhundert etwas Derartiges vorzufinden – die schlechte Imitation eines Herrenzimmers, mit Ledersesseln und Perserteppichen und nur wenigen weiteren Möbelstücken. Mitten auf dem Boden stand eine große Kupferschale oder ein Kohlenbecken; dieser Funktion musste es noch vor kurzem gedient haben, denn es war mit Asche und verkohlten Papierfetzen gefüllt, die einen starken Brandgeruch verströmten. Wesentlich interessanter war die Tatsache, dass sich Leute in dem Raum befanden.
    Zwei der Männer kannte ich nicht. Einer von ihnen war groß und stattlich, mit grauem Bart und hellhäutig wie ein Europäer. Der andere trug die traditionelle Kleidung der Senussi. Der dritte …
    Das kupferfarbene, kunstvoll mit grauen Fäden durchzogene Haar war eine Perücke, und obschon sein Gesicht abgewandt war, hätte ich diese durchtrainierte, geschmeidige Gestalt überall wieder erkannt. Es versetzte mir einen Stich – ja, ich gestehe es! Obwohl er seine Niedertracht nicht offen zugegeben hatte, hatte ich nie die Hoffnung aufgegeben, dass ich mich vielleicht irrte. Jetzt bestand kein Zweifel mehr. Er war schuldig, und wenn Ramses hier gefangen gehalten wurde, gehörte Sethos zu seinen Häschern.
    »Also, das war’s dann«, knurrte Graubart in stark akzentuiertem, aber fließendem Englisch. »Wie inkompetent ist dieser Mann eigentlich? Die Dokumente aufzubewahren war schon schlimm genug; uns deren Vernichtung zu überlassen, während er sich mit dem Gefangenen vergnügt, ist unverzeihlich. Ich bin versucht, diesen gottverfluchten Idioten den verdammten Engländern in die Hände zu spielen.« Nefret entwich kein Laut, nicht einmal ein Atemgeräusch. Auch ohne den schmerzhaften Druck ihrer Finger auf meinem Arm war mir bewusst, dass ich mich genauso leise verhalten musste.
    »Man ist sicherlich versucht«, räumte der falsche Schotte ein. Ich hätte wissen müssen, dass Sethos mehr als eine Identität annehmen würde; kein Wunder, dass er die des Grafen so bereitwillig aufgegeben hatte! In seiner anderen Rolle hatte er noch größere Beschwernisse auf sich genommen, mich zu meiden.
    Hamilton, den er – wie ich jetzt wusste – verkörperte, fuhr mit derselben gedehnten Stimme fort. »Wir können nicht riskieren, dass er der Polizei in die Hände fällt. Er weiß zu viel über uns, und sie werden ihn nicht einmal foltern müssen, um ihn zum Reden zu bringen; er wird plaudern wie ein Waschweib.«
    Der Senussi verzog abfällig die Lippen. »Er ist ein Feigling und ein Idiot. Also werden wir ihn mitnehmen?«
    »Wenn nötig, mit Gewalt«, sagte Sethos. »Und ihr verschwindet jetzt besser. Lasst den Hintereingang offen für mich. Ich werde einen letzten Inspektionsgang machen, um sicherzustellen, dass er keine weiteren belastenden Materialien zurückgelassen hat.«
    »Was ist mit dem Gefangenen?«, erkundigte sich Graubart.
    »Vor meinem Aufbruch kümmere ich mich um ihn – falls noch etwas von ihm übrig ist.«
    Der Graubärtige nickte. »Besser Sie als ich.«
    »Überempfindlich?«, fragte Sethos gefährlich ruhig.
    »Wir befinden uns im Krieg. Wenn es sein muss, töte ich. Aber er ist ein tapferer Mann und er verdient einen schnellen Tod.«
    »Er wird ihn bekommen.« Sethos öffnete seine elegante, maßgeschneiderte Weste und ich bemerkte das Messer in seinem Gürtel.
    Es folgten weder Höflichkeitsfloskeln noch Befehlsaustausch. Graubart und der Senussi verließen unverzüglich den Raum und ließen Sethos neben dem glimmenden Kohlenbecken zurück. Nachdem er für Augenblicke mit schief gelegtem Kopf gehorcht hatte, drehte sich Sethos um, kniete sich hin und durchwühlte die halb verbrannten Papierfetzen, die er nach Durchsicht achtlos auf den Boden warf. Was auch immer er suchte, er fand es nicht; ein leises, aber inbrünstiges »Verdammt!« wurde hörbar, und dann erhob er sich.
    Nefret zitterte, dennoch verharrte sie bewegungslos, und ihre übermenschliche Anstrengung half mir, meine eigene Wut und Angst zu kontrollieren. Wir durften

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