Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra
Weibspersonen hier in dieses Hotel eingeladen? Ich hätte mich niemals einverstanden erklärt, euch zu begleiten, wenn ich auch nur geahnt hätte –«
»Ah, da ist sie.«
Sie war ausgesprochen attraktiv auf Grund ihrer vollendeten, beinahe südländischen Ausstrahlung, mit sehr roten Lippen und sehr dunklem Haar, und obwohl sie schwarze Witwenkleidung trug, stand ihr die Trauer gut zu Gesicht. Chiffon und Strass schmückten den Halsausschnitt, ihr Hut war mit schwarzen Satinbändern und Perlen besetzt.
Der Mann, der ihr höflich seinen Arm reichte, war ebenfalls Neuankömmling in Kairo. Er kam mir bekannt vor; ich musterte ihn forschend, bis ich erkannte, dass der schmale schwarze Lippenbart und das Monokel, durch das er die Dame betrachtete, mich an einen gewissen Russen erinnerten, den ich irgendwann einmal kennen gelernt hatte. Er war nicht der einzige Mann an ihrer Seite; sie war im wahrsten Sinne des Wortes umringt von Bewunderern, Zivilisten und Offizieren, die sie betont unbeteiligt anlächelte.
»Ist sie das?«, zischte Emerson. »Ich hoffe, du hast nicht die ganze Bande eingeladen.«
»Nein.« Ich hob meinen Sonnenschirm und winkte. Das weckte die Aufmerksamkeit der Dame; mit einer kleinen entschuldigenden Geste löste sie sich von ihren Anhängern. Ich fuhr fort: »Eine gewisse Mrs Fortescue, die Witwe eines Gentlemans, der vor kurzem in Frankreich den Heldentod fand. Ich erhielt einen Brief von ihr, dem sie ein Einführungsschreiben gemeinsamer Freunde beilegte – du erinnerst dich an die Witherspoons, Emerson?«
Emersons Gesichtsausdruck dokumentierte mir, dass er sich an die Witherspoons erinnerte und dass er im Begriff war, seine Meinung über sie zu äußern. Er wurde von Ramses abgelenkt, der die Dame interessiert beobachtet hatte. »Warum sollte sie dir schreiben, Mutter? Interessiert sie sich für die Archäologie?«
»Das behauptete sie jedenfalls. Ich sah nichts Verwerfliches darin, jemandem freundschaftlich die Hand zu reichen, der einen so bitteren Verlust erlitten hat.«
»Augenblicklich scheint sie nicht zu leiden«, warf Nefret ein.
Ihr Bruder bedachte sie mit einem süffisanten Blick, und ich zischte: »Pst, da kommt sie.«
Sie hatte ihre sämtlichen Verehrer abgeschüttelt, bis auf einen – einen rosigen Offizier, der nicht älter als achtzehn aussah. Man stellte einander vor; da der junge Mann, ein gewisser Leutnant Pinckney, weiterhin verharrte und die Dame mit sklavischer Ergebenheit anhimmelte, blieb mir nichts anderes übrig, als ihn ebenfalls einzuladen. Emerson und Ramses nahmen ihre Plätze ein und Mrs Fortescue entschuldigte sich überschwänglich für ihre Verspätung.
»Alle sind so freundlich«, murmelte sie. »Wissen Sie, es fällt mir schwer, mitfühlende Menschen vor den Kopf zu stoßen. Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu lange warten lassen. Ich habe mich so auf diese Zusammenkunft gefreut!«
»Hmhm«, brummte Emerson, der schnell gelangweilt ist und nicht lange um den Brei herumredet. »Meine Gattin hat mir erzählt, dass Sie sich für die Ägyptologie interessieren.«
Auf Grund der Art und Weise, wie ihre schwarzen Augen sein anziehendes Gesicht und seine markanten Lippen musterten, beschlich mich der Verdacht, dass die Ägyptologie nicht ihr einziges Interessengebiet darstellte. Allerdings bewies ihre Antwort, dass sie zumindest über oberflächliche Kenntnisse der Materie verfügte, und Emerson begann sogleich mit einer Beschreibung der Mastaben von Gizeh.
Da ich wusste, dass er die Unterhaltung allein bestreiten würde, bis sie ihn irgendwann unterbrach, wandte ich mich zu dem jungen Subalternen, der auf Grund der Fahnenflucht der Dame geknickt schien. Meine mütterlichen Fragen bauten ihn auf, und er war glücklich, mir alles über seine Familie in Nottingham zu berichten. Er war erst vor einer Woche in Ägypten eingetroffen, und obwohl er lieber in Frankreich stationiert gewesen wäre, hoffte er, in Kürze zum Einsatz zu kommen.
»Nicht, dass diese Türkenbande eine große Herausforderung wäre«, fügte er mit einem jungenhaften Grinsen und einem beschwichtigenden Blick in Nefrets Richtung hinzu, die ihn wie gebannt anstarrte, das Kinn auf ihre Hand gestützt. »Die Damen brauchen sich in keinster Weise zu beunruhigen. Sie werden es niemals über den Suezkanal schaffen.«
»Wir sind keineswegs beunruhigt«, erwiderte Nefret mit einem Lächeln, das den Jungen erröten ließ.
»Das sollten Sie auch nicht sein. Hier sind einige hervorragende Jungs,
Weitere Kostenlose Bücher