Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra
dunkles Gesicht strahlte vor diabolischem Vergnügen.
»Stört dich mein Parfüm? Es ist sehr selten und teuer.«
»Über den Geschmack lässt sich streiten«, sagte Ramses, ohne die Stimme zu verstellen. El-Gharbi wusste, wen er vor sich hatte. Die Tarnung diente lediglich als Vorsichtsmaßnahme, für den Fall, dass man ihn beschattete. Während die formellen Begrüßungsfloskeln ausgetauscht wurden, wappnete er sich mit Geduld, die ihn seine langjährige Erfahrung mit den Ägyptern gelehrt hatte. Möge Allah dir einen schönen Abend gewähren; wie ist es um deine Gesundheit bestellt? Allah schütze dich; und schließlich das höfliche und übliche: Mein Haus ist auch dein Haus.
»Beiti beitak, Bruder der Dämonen. Ich hätte nie gedacht, dass mir jemals die Ehre zuteil würde, dir hier in meinem Hause Zerstreuung zu bieten.«
»Du weißt genau, dass ich nicht wegen der Zerstreuung gekommen bin«, erwiderte Ramses. »Wenn ich könnte, würde ich dir das Handwerk legen.«
Gewaltiges Lachen erschütterte den Diwan. »Ich bewundere einen aufrichtigen Mann. Deine Einstellung und die deiner Familie ist mir zur Genüge bekannt. Aber, mein lieber junger Freund, meinen Geschäften ein Ende zu setzen würde die von dir beanstandeten Gegebenheiten nur verschlimmern. Ich bin ein humaner Arbeitgeber.«
Das vermochte Ramses nicht zu widerlegen. Warum blieben moralische Fragen so häufig ohne eine eindeutige Definition von Richtig oder Falsch? Das Richtige, das eindeutig Richtige wäre die völlige Ausmerzung dieses schmutzigen Gewerbes; doch auf Grund der Tatsache, dass es existierte und vermutlich nie aussterben würde, waren die bedauernswerten Opfer, Männer wie Frauen, mit el-Gharbi bei weitem besser bedient als mit einem seiner brutalen Vorgänger. »Humaner als einige andere«, gestand Ramses widerstrebend.
»Wie beispielsweise mein früherer Rivale Kalaan.« Kopfschüttelnd spitzte der Hüne seine rot angemalten Lippen. »Ein widerlicher Sadist. Seine Beseitigung verdanke ich dir, und ich akzeptiere, dass ich in deiner Schuld stehe. Deshalb bist du doch gekommen, nicht wahr, um mich um einen Gefallen zu bitten? Ich vermute, es betrifft deinen Cousin. In letzter Zeit haben wir ihn kaum gesehen, obwohl er gelegentlich vorbeischaut.«
»Seine Gewohnheiten interessieren mich nicht«, wandte Ramses ein. »Ich komme wegen einer anderen Sache. Vermutlich hast du von dem heutigen Vorfall vor dem Shepheard’s gehört.«
»Vorfall! Eine blumige Umschreibung! Ganz Kairo weiß es. Du willst doch hoffentlich nicht andeuten, dass ich meine Hand im Spiel hatte? Mein Geschäft ist die Liebe, nicht der Krieg.«
»Eine weitere blumige Umschreibung für ein schmutziges Geschäft. Woher hatte er die Granaten? Wer waren seine Komplizen?«
»Da er noch vor seinem Geständnis starb, werden wir die Antwort nie erfahren. Die beiden anderen haben jede Komplizenschaft abgestritten; man nimmt an, dass sie bald freigelassen werden.«
»Starb? Wann? Er lebte noch, als sie ihn ins Hospital brachten.«
»Vor weniger als einer Stunde. Habe ich dir soeben etwas erzählt, was du noch nicht wusstest?«
»Du hast mir nicht erzählt, was ich wissen will.«
El-Gharbi saß da wie eine groteske Statue, die Hände vor seine Augen gelegt. »Von mir hat er die Waffen nicht bekommen. Gewisse … Waren gehen manchmal durch meine Hände. Ich agiere auf anderen Märkten. Ein Mann streut kein Gift im eigenen Garten. Um ehrlich zu sein, mein Freund, erzähle ich dir das alles, weil ich nicht will, dass du hier herumstreichst und Probleme heraufbeschwörst. Auch wenn es mir ein Vergnügen ist, dich anzuschauen«, fügte er affektiert lächelnd hinzu.
Ramses lachte. »Mag sein. Woher hatte er sie dann?«
»Nun, mein lieber Junge, wie wir alle wissen, halten sich in Kairo deutsche und türkische Agenten auf. Allerdings glaube ich nicht, dass sie einen Amateur wie diesen Burschen anheuern würden. So, das lässt nur eine mögliche Quelle offen. Seinen Namen zu nennen ist nicht erforderlich. Ich kenne seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort nicht. Er vertraut mir nicht.« El-Gharbi faltete seine beringten Wurstfinger und seufzte tief.
»Nein, vermutlich nicht. Kann ich dir das glauben?«
»Was war … was seinen derzeitigen Aufenthaltsort anbelangt, ja. Offen gesagt hoffe ich, dass ihr ihn aufspürt. Der Patriotismus ist eine Plage; er führt nur zu Schwierigkeiten. Und die will ich vermeiden. Sie schädigen mein Geschäft.«
»Das glaube ich dir gern. Nun
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