Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
Betrüger sich daraufhin aufs Äußerste bemühte, den fraglichen Gegner aus dem Feld zu räumen.
Man hätte beinahe Mitleid empfinden können mit den verdutzten Kriminellen von Luxor. Es währte nicht lange, bis sie begriffen, dass es nicht nur einen Meister, sondern zwei gab, da beide versuchten, einander zu enttarnen, und jeder von ihnen beteuerte, der wahre und einzige Meisterverbrecher zu sein. Einige hatten mit Sethos gesprochen, andere wiederum mit dem Hochstapler, gleichwohl wusste keiner, wer von den zweien der echte war. Darunter litt auch die Anwerbung von neuen Helfershelfern; die vorsichtigeren unter den Burschen weigerten sich, mit einem der beiden zu arbeiten.
»Es ist mir immer noch ein Rätsel, warum er rein gar nichts gestohlen hat, wenn dieser … äh … Jemand hofft, der neue Kopf des illegalen Antiquitätenspiels zu werden«, gab Emerson zu bedenken. »Offenbar zeichnete Sethos für die Diebstähle verantwortlich, von denen wir gehört haben. In letzter Zeit ist nichts Interessantes auf den Markt gekommen. Warum hat er nicht angefangen, kleinere Artefakte aus dem Grab zu entfernen, wie es die Abd er Rassuls in Deir el-Bahari praktiziert haben?«
»Auf diese Weise sind die Behörden den Rassuls auf die Schliche gekommen«, bemerkte Ramses. »Vermutlich hat dieser Bursche aus ihren Fehlern gelernt. Wenn es ihm gelingt, die Grabstätte innerhalb weniger Tage zu plündern, kann er sich aus dem Staub machen, bevor die Objekte auf dem Markt auftauchen, ohne der Polizei irgendwelche sachdienlichen Spuren zu hinterlassen. Dennoch ist die Existenz eines solchen Grabes bislang noch rein hypothetisch zu sehen. Sethos ist zu dem gleichen Schluss gelangt wie wir, auf der Basis derselben Anhaltspunkte – so beteuert er zumindest. Wenn es einen solchen Ort gibt, ist die Lage nur seinem Entdecker bekannt. Er wird Unterstützung brauchen, um den Inhalt zu entfernen, aber vernünftigerweise wird er damit erst dann jemanden betrauen, wenn der Tag X gekommen ist.«
»Hmhm«, nuschelte Emerson in sein Pfeifenmundstück.
Ein Begrüßungsruf von Ashraf, der auf dem Landungssteg Wache hielt, vergegenwärtigte mir, wie viel Zeit vergangen war. »Da kommt Cyrus’ Kutsche, um uns abzuholen. Wir dürfen ihn nicht warten lassen. Emerson, zieh deinen Mantel an. Ramses, bist du fertig, mein Schatz?«
Nefret stürmte davon, um einen Umhang zu holen, und während die Männer ihre verstreuten Kleidungsstücke einsammelten, erwog ich Sethos’ Schilderung. Sie klang durchaus plausibel, aber ich hätte auch nichts anderes erwartet von meinem alten Gegner und gegenwärtigen Schwager. Da ich ihn tot glaubte, hatte ich kaum Gelegenheit gehabt, mich an letztere Verwandtschaftsbeziehung zu gewöhnen. Es würde mir auch ein wenig schwer fallen. Der Gedanke, ihn wiederzusehen – denn genau das hatte ich für den nächsten Tag geplant –, rief verwirrende Empfindungen wach – Erinnerungen an viele Jahre Ärger und Avancen, aber auch an seine noblen Opfer für uns und für sein Land.
Augenscheinlich war letzteres Opfer nur vorübergehender Natur gewesen. Mental fügte ich meiner Missionenliste einen weiteren Punkt hinzu. Sethos würde geläutert werden und auf dem Pfad der Tugend bleiben müssen. Er durfte nie mehr auf die schiefe Bahn geraten! Eine andere kleine Sache, die gleichermaßen wichtig war, brachte ich auf dem Weg zum Schloss ins Gespräch.
»Es dürfte nicht schwierig sein, el-Hakim zu identifizieren. Er ist Archäologe und kein Ägypter, und da nicht mehr viele in Luxor arbeiten …«
»Verflucht, Amelia, worauf willst du jetzt schon wieder hinaus!«, brüllte Emerson. »Du erklärst Dinge zu Tatsachen, die bislang noch unbewiesene Theorie sind.« Ich wusste, warum er so gereizt war, deshalb erwiderte ich sanft: »Sämtliche Anhaltspunkte deuten auf diese Schlussfolgerung hin, mein Lieber. Dieser Bursche wäre keinesfalls in der Lage, sich so genial zu tarnen wie der Meister, wenn er nicht über eine ganze Reihe von dessen Fertigkeiten und Charakteristika verfügte – seine Skrupellosigkeit eingeschlossen. Er hat drei Morde begangen.« »Und einen vierten versucht«, warf Nefret ein. »Ja.« Ich wandte mich an Ramses, der unvermittelt bestürzt wirkte. »Ich will dich nicht kritisieren, mein Schatz«, versicherte ich ihm. »Ich verstehe ja, warum du es für erforderlich gehalten hast, die Aufmerksamkeit von einem gewissen Gast an Bord der Amelia zu lenken, aber …«
»Da wir gerade davon sprechen«, sagte
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