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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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konnte – und vorn an seinem Turban steckte ein Schmuckstück, für das viele Frauen ihre Unschuld hergegeben hätten: eine weiße Reiherfeder umgeben von einem sprühenden Feuerwerk aus Diamanten.
    Wir waren allein in dem von riesigen Säulen getragenen Audienzraum, aber ich wusste, dass Wachen an den Türen postiert waren. Die Einladung war zwar höflich formuliert, aber nichts anderes als ein Befehl gewesen. Schlimmer konnte es mich nicht mehr treffen, und überhaupt, welche Wahl blieb mir denn? Als er mir ein weiteres Mal bedeutete, ihm zu folgen, gehorchte ich. Er hielt sich stets einen oder zwei Schritte vor mir, wie es seine Manneswürde verlangte, doch dafür musste er sich auf Trab halten, und so warf er mir über seine Schulter ständig vorwurfsvolle Blicke zu. Ich unterdrückte ein Lachen. Was wieder einmal bewies, dass ich noch eine Menge lernen musste über juvenile Emire.
    Der Raum, den wir betraten, versetzte mich in Erstaunen. Es gab einen Diwan, es gab Kissen und einen niedrigen Messingtisch mit silbernen Schalen, die Notizen und Süßigkeiten enthielten; aber es gab auch einen modernen, mit Papieren übersäten Schreibtisch.
    »Die wichtigsten Papiere liegen dort«, sagte der Emir und deutete auf eine mit Vorhang versehene Tür. »Aber erst einmal sollten wir uns hinsetzen und wie Freunde miteinander plaudern. Ihnen scheint warm zu sein. Legen Sie Ihre Jacke ab.«
    »Danke, ich fühle mich recht wohl.« Unwillkürlich zog ich das Kleidungsstück fester um mich.
    »Ohne die dicke Jacke werden Sie sich wohler fühlen.« Er verdrehte die Augen und kam langsam auf mich zu. »Sie steht Ihnen nicht. Warum kleiden Sie sich wie ein Mann, Sitt, wo Sie doch so ausgesprochen feminin sind?«
    »Die Papiere …«
    »Später.«
    Ich rührte mich nicht vom Fleck, als er näher kam. Ich war mit jenem unüberwindbaren und törichten Gefühl der Überlegenheit behaftet, das unserer Klasse angeboren und anerzogen ist, und dumm, wie ich war, hielt ich ihn immer noch für einen Jungen. Offen gestanden war ich ziemlich verblüfft, als er mich packte. Er war stärker, als seine herausgeputzte Gestalt vermuten ließ; nachlässigerweise hatte ich den Umstand verdrängt, dass die Rashids Kämpfer waren und dass dieser »Junge« vermutlich noch vor seinem vierzehnten Lebensjahr sein erstes Opfer zur Strecke gebracht hatte. Statt mich zu wehren, was verlorene Liebesmüh gewesen wäre, blickte ich ihn ungerührt an und bemerkte überheblich: »Ich bin keine von Ihren Frauen. Lassen Sie mich los, dann können wir wie Freunde und Gleichgestellte reden.«
    »Sie sind mir nicht gleichgestellt. Keine Frau ist das. Kommen Sie, umarmen Sie mich. Ich verspreche, es wird Ihnen gefallen.«
    Seine Lippen streiften meine Wange. So viel zur moralischen Überlegenheit. Ich hatte schon immer vermutet, dass das reine Theorie war. Zu meiner Verblüffung und Bestürzung hörte ich mich schreien. Ich werde das nicht in das Buch aufnehmen; es widerstrebt mir sogar, es mir selber eingestehen zu müssen. Es war nicht nur verachtenswert, sondern auch vergebens. Wer wäre schließlich zu meiner Rettung geeilt?
    Ich schreibe dies nieder, wie es sich tatsächlich ereignet hat, gleichwohl würde ich es nicht glauben, wenn ich es nicht selber erlebt hätte. Der Emir stieß mich mit einer solchen Wucht von sich, dass ich zurücktaumelte, über den Rand eines Teppichs stolperte und so ungelenk auf den Diwan fiel, dass meine Füße zeitweise höher waren als mein Kopf. Als ich endlich wieder zu Atem kam, waren sie in ein Handgemenge verwickelt, der Emir und ein weiterer Mann, der aus dem Nichts aufgetaucht war. Der Junge war kein Feigling; er schoss vor und umklammerte mit beiden Händen den Hals seines Widersachers. Statt sich aus diesem Würgegriff zu befreien, versetzte ihm der andere mehrere empfindliche Hiebe mit seinem Knie, seinem Ellbogen und seiner Handkante. Die ersten beiden Treffer landeten voll unter der Gürtellinie oder, in diesem Fall, unterhalb der Schärpe; der Handkantenschlag traf den Nacken des Emirs, worauf er sich krümmte und sich den Magen hielt. Er brach am Boden zusammen und blieb reglos liegen.
    Der Neuankömmling trat einen Schritt auf mich zu und stockte dann, als wäre er vor eine Glasscheibe geprallt. Er war groß, breitschultrig und stattlich, die wehenden Rockschöße seiner Galabija enthüllten muskulöse Waden. Der schwarze Bart und die Kapuze seines Kaftans verbargen sein Gesicht, bis auf seine vorstehende

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