Amelia Peabody 17: Die Schlangenkrone
›versucht‹. Wenn ich mit einer Frau wie Nefret verheiratet wäre, bliebe ich auch standhaft.«
Ramses wirbelte herum und packte seinen Onkel am Revers. »Mußt du mich eigentlich dauernd provozieren?«
»Alte Gewohnheiten stellt man nicht so leicht ab.« Sethos zuckte mit den Schultern. »Also gut, Ramses, Waffenstillstand, in Ordnung? Jemand hat dir heute abend hier aufgelauert. Als er mich bemerkte, ist er verschwunden.«
»Hast du gesehen, wer es war?«
»Ich meine, es war unser Freund Katschenowsky.«
»Um Himmels willen! Michail ist völlig harmlos. Wenn er es wirklich war, dann wollte er vermutlich nur mit mir reden. Du hast ihn verscheucht. Er ist sehr zurückhaltend.«
»Vorsicht ist besser als Nachsicht.«
»Du klingst wie Mutter.«
»Schätze, das war nicht als Kompliment gedacht.«
Ramses schwieg.
»Das hätte er sein können«, zischte Sethos unvermittelt und zeigte mit dem Finger auf jemanden.
Es war Adrian Petherick. Er schien eben von einem kleinen Abendspaziergang zurückzukehren und wirkte weder betroffen noch ertappt.
»Guten Abend«, sagte er strahlend. »Eine herrliche Nacht, nicht?«
»Ja«, bekräftigte Ramses. »Weiß Ihre Schwester, daß Sie hier draußen sind?«
Adrian schmunzelte. »Die gute Harriet. Sie kann mich schließlich nicht ständig begleiten. Zudem hatte sie heute abend eine Verabredung. Mit Ihnen?«
»Ja.«
»Was hat sie Ihnen erzählt?«
Sein strahlendes Gesicht war ohne Arg, sein Ton ließ bei Ramses jedoch sämtliche Alarmglocken schrillen.
»Sie ist besorgt um Sie«, sagte er ohne Umschweife. »Sie sollten nicht ausgehen, ohne sie zu informieren. Immerhin läuft hier ein unbekannter Mörder frei herum.«
»Es sei denn, der bin ich«, meinte Adrian launig. »Irgendwelche neuen Erkenntnisse?«
»Nein.«
Adrian schüttelte den Kopf. »Die Polizei ist nicht besonders helle, was? Dieser Bursche beispielsweise …« Er schnellte herum. »Er verfolgt mich seit zwei Tagen. Völlig unauffällige Tarnung, daß ich nicht lache – er trägt ägyptische Tracht mit Turban. Mir ist er damit auf Anhieb aufgefallen.«
»Scharf beobachtet«, meinte Ramses. Ayyids Tarnung in Zivil ließ wahrlich zu wünschen übrig. Das turbanbedeckte Haupt, das soeben hinter einem Baum hervorlugte, war so unübersehbar wie ein Kamel.
»Ich gehe jetzt rein«, verkündete Adrian. »Grüßen Sie Ihre bezaubernde Frau und die ganze Familie von mir.«
»Er sieht ganz anders aus als Michail.« Ramses beobachtete, wie Adrian in langen Sätzen die Treppe nahm.
»Sie sind in etwa gleich groß und schlank. Das Gesicht konnte ich leider nicht erkennen. Gängige Kleidung, Hut, dunkle Hose und Mantel.«
Am Kai erwartete Sabir sie bereits. »Ihr habt euch von einem anderen Fährmann rüberbringen lassen«, rief er vorwurfsvoll.
»Und das hast du gemerkt«, grinste Ramses.
»Natürlich. Deshalb hab ich auf euch gewartet, um euch zurückzubringen.«
»Nahezu unbegreiflich, wie ein Krimineller hier lange unentdeckt bleiben soll«, sinnierte Sethos, als sie ihre Plätze einnahmen. »Du magst nicht darüber reden, oder?«
»Worüber?«
»Über den jungen Petherick. Du hast Mitleid mit ihm wegen seiner Kriegserfahrungen, aber er ist entweder total verrückt oder extrem gerissen. In beiden Fällen ist er ein Spitzenkandidat für die Mörderrolle.«
»Wieso eigentlich?« meinte Ramses gedehnt. »Welches Motiv könnte er haben? Laut Aussage seiner Schwester vergötterte er seine Stiefmutter.«
»Das Motiv ist nicht unbedingt entscheidend, das sagt dir jeder Kriminologe. Menschen bringen sich aus den abwegigsten Gründen gegenseitig um. Manche Mörder hören Stimmen. Andere haben ein so übersteigertes Ego, daß sie sich zum Richter und Vollstrecker über andere erklären. Und dann gibt es diese simplen Gemüter, die alles in sich hineinfressen, bis sie irgendwann durchdrehen. Ganz zu schweigen von –«
»Ich hab schon verstanden«, unterbrach Ramses ihn.
»Nein, das hast du nicht. Ich wollte den Umstand hervorheben, daß wir so gut wie nichts über diese Leute wissen. Wir brauchen mehr Fakten. Kann gut sein, daß ich für ein paar Tage nach Kairo reise.«
Das Boot stieß sanft gegen die Kaimauer. Ramses sprang ans Ufer und überließ seinen Onkel sich selbst. Er hatte es plötzlich eilig.
Ramses kam spät heim. Das hatte ich zwar vermutet, aber nicht, daß Sethos ihn begleiten würde. Letztgenannter gab sich betont reserviert.
»Wir mußten das Essen warmstellen«, schimpfte Nefret.
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