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Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
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die Zähne. »Schau, schau, das hätte ich ihm gar nicht zugetraut, dem Hermann.« Er grinste still vor sich hin, ehe er sich Amelie von neuem zuwandte. »Und du, Püppchen?«
    »Was heißt ›und du‹?«
    »Hast du einen anderen?«
    »Nein. Ich habe einen Traum.«
    Raus war’s. Und mit wachsender Erleichterung erzählte Amelie ihrem Vetter die seltsame Geschichte der Begegnung mit dem Gamaschenmann. Nichts ließ sie aus; weder das Hochgefühl, das sie X verdankte, noch ihre vergeblichen Versuche, ihn aufzuspüren. Sie sprach fließend. Es war, als hätte sich plötzlich eine Gesamtsicht der Dinge für sie ergeben. »Weißt du, es kommt mir so vor, als hätte mich etwas auf den Bruch mit Hermann vorbereitet, um für den neuen Menschen frei zu sein.« Damit schloss sie.
    Lorenz schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, was er eben zu hören bekommen hatte. »Von welchem neuen Menschen sprichst du«, fragte er endlich wie benommen.
    »Vom Mann mit den Gamaschen natürlich, von meinem Phantom, von X.«
    Lorenz blieb stehen, ergriff Amelies Schultern und schüttelte sie leicht. »Aber Püppchen, der ist doch keine ernsthafte Option. Wo willst du ihn denn suchen, wie willst du den Menschen finden?«
    Amelie löste sich aus seinem Griff, holte ihre Mütze aus der Jackentasche und zog sie energisch über. »Vielleicht finde ich ihn, vielleicht finde ich ihn nicht.« Sie starrte eine Weile in die immer noch vernebelte Landschaft, ehe sie fortfuhr. »Aber eines weiß ich, Lorenz: irgendwie ist der Mann mein Schicksal.«
    Am Tag nach dem Spaziergang rief Lorenz an, erwähnte Amelies Geständnis mit keinem Wort, fragte bloß, ob Amelie Lust hätte, zu Susans Lonely-Hearts -Silvesterparty zu kommen. Lauter Singles. Susan würde sich freuen, sie kennen zu lernen. Amelie überlegte nicht lange und sagte zu. Sie war neugierig auf Susan. Und sie war gern in Lorenz’ Gesellschaft, es lag immer noch ein leiser Reiz im Zusammensein mit ihrem Vetter.
    Auf ihre gestrige Bemerkung, dass der Unbekannte ohne Gesicht ihr Schicksal sei, hatte Lorenz zu ihrer Überraschung mit einem Zitat von Arthur Schnitzler geantwortet: »Ist denn je ein Mensch eines anderen Schicksal? Er ist immer nur das Mittel, dessen das Schicksal sich bedient.« Damit schien das Thema für ihn beendet. Für Amelie hingegen hatte es wieder Oberwasser bekommen. Die Weihnachtsfeiertage mit den Eltern und der Familie hatten X auf gewisse Weise entrückt. Durch das Gespräch mit Lorenz war er wieder in den Vordergrund getreten und beherrschte ihre Gedanken. Wo immer sie hinging – der Gamaschenmann ging mit.
    Sie unternahm lange Spaziergänge über die immer noch schneelosen Wiesen hinter dem romantischen Wasserschloss der Grafen Moj. Sie fuhr mit dem Vater in die Stadt und wanderte durch die Gassen der Altstadt, die nun, zur nahezu touristenlosen Zeit, ihren Zauber voll entfalteten. Sie ging in den Dom, den sie bewunderte, der sie aber kalt ließ, sie saß lange in der Franziskanerkirche, die sie ihres mystischen Lichts und ihrer geheimnisvollen dunklen Wärme wegen liebte. Sie trank Tee im Café Bazar und wippte auf dem schmalen, schwingenden Steg über die Salzach, als wäre sie noch ein Kind. Und sie streifte durch Gänge und Keller und Dachboden des alten Lenz-Hauses in der Goldgasse. Bei einem dieser Streifzüge kam es zu einem Gespräch mit dem Vater, das zu führen Josef Lenz wohl längst vorgehabt hatte.
    Die Räume der Offizine waren still und menschenleer, die Mitarbeiter hatten bis über Dreikönig Urlaub. Amelie betrachtete Förmchen und Farben und Figürchen in der Werkstatt. Die Tür zum Büro des Vaters stand offen. Sie hörte das Rascheln von Papier und das Kratzen einer Feder, dann die Stimme des Vaters: »Amelie, komm bitte herein, ich möchte dich etwas fragen.«
    »Ja, Vater?« Amelie blieb in der Tür stehen und sah auf den Vater, der an seinem klobigen, der dritten Generation Lenz dienenden Schreibtisch saß.
    »Setz dich bitte«, sagte er freundlich, worauf Amelie wusste, dass es sich nicht um Belangloses handeln würde.
    Josef Lenz redete nicht lange um den Brei herum. »Du hattest kein gutes Geschäftsjahr«, begann er. »Es könnte Pech gewesen sein. Ich persönlich glaube, dass es sich um Strukturprobleme handelt. Und die gehören überdacht und schleunigst gelöst.«
    Amelie schluckte. Und nickte. Das Geschäftsjahr war unbestreitbar schlecht gewesen. Dass es nicht an Pech, sondern an mangelndem Einsatz der Unternehmerin gelegen

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