Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
sondern endlich wieder berauschte.
Der Rausch hielt freilich nicht an. Zwei Tage später hatten sie wieder Streit.
Amelie war im Laden. Es ging gegen Mittag, als der Wirkliche Hofrat unerwartet auftauchte. Sie freute sich ehrlich, ihn wiederzutreffen. Es sei ja eine Ewigkeit her, seit man sich zuletzt gesehen habe. Nun ja, sechs Wochen, er sei wieder einmal verreist gewesen, meinte der Hofrat. »Sechs Wochen erst.« Amelie war verwundert. Ihr schien es, als läge der Abend bei Bartenberg Monate zurück.
Hofeneder war mit einer Bestellung für die Offizine Lenz gekommen. Wie üblich ließ er sich nieder, um mit Amelie zu plaudern. ›Ich habe ihn vermisst, seine Art des Umgangs ist mir abgegangen‹, dachte Amelie, und die Freude über seine Anwesenheit ließ ihre Augen sprühen und färbte ihre Wangen rosa. Die Freude verflog, als der Hofrat auf Bartenbergs Neffen zu sprechen kam.
»Daniel war erstaunt, dass Sie ihn nicht zurückgerufen haben«, sagte Hofeneder, und ein leiser Tadel in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Jesus, der Neffe, den habe ich völlig vergessen!«, entfuhr es Amelie.
Drei Wochen war es nun her. Daniel Bartenberg hatte auf ihren Anrufbeantworter gesprochen und sie dringend um Rückruf gebeten. Es handle sich um ein geschäftliches Angebot, das er lieber nicht am Telefon besprechen wolle. Es war der Tag von Gregors Rückkehr gewesen. Über Gregor hatte Amelie alles vergessen.
»Wie mir das passieren konnte…«, stotterte sie verlegen und versicherte dem Hofrat, noch heute werde sie Herrn Bartenberg anrufen und sich für das Versäumnis entschuldigen.
Nicht nötig, Daniel sei längst wieder über alle Berge, es sei völlig ungewiss, wann er wieder in Wien sei, beruhigte sie Hofeneder…
Das war der Moment, in dem die Eingangstür zwitscherte und ein Mann seinen Kopf zur Tür hereinstreckte. »Hallo Liebling, ich wollte mal sehen, wo du residierst«, sagte Gregor Freytag. Er war noch nie zuvor im Laden vorbeigekommen.
Amelie strahlte. »Komm herein, ich möchte dich mit Hofrat Hofeneder bekannt machen«, rief sie ihm zu.
Es dauerte bloß ein paar Sekunden, ehe Gregor »ich komme später« zurückrief, kehrtmachte und verschwand.
Er kam nicht wieder. Der Hofrat zeigte sich über den seltsamen Menschen verwundert. Als er nach seinem Namen fragte, wich Amelie – einem unerklärlichen Impuls folgend – aus.
Am Abend machte sie Gregor Vorhaltungen. So könne man sich doch nicht verhalten, das sei unhöflich, ja kränkend den Menschen gegenüber, die Teil ihres Lebens seien. Sie, Amelie, lebe schließlich nicht im luftleeren Raum. Ob er sich denn überhaupt nicht für ihre Welt interessiere, für ihre Eltern, ihre Bekannten, ihre Freunde, speziell Uli…
Gregor hatte zunächst einen Schmollmund gezogen, dann hatte er sich lachend die Ohren zugehalten und schließlich gottergeben gegrinst: »Also gut, deinen Schwuli, den werde ich treffen. Mach was mit ihm aus.«
Amelie hatte in den vergangenen Wochen zwar mehrfach mit Uli telefoniert, ihn aber nur an dem Abend nach seiner Rückkehr gesehen. Sie wusste, dass Ludwig aus Berlin zurückgekehrt war, dass es heftigen Streit zwischen ihm und Uli gegeben hatte und dass Ludwig in der Folge bald wieder abgereist war. Auf Kur. Nach Frankreich. Um Abstand zu gewinnen. Amadé sei unter Garantie nicht mit von der Partie, Ludwig habe ihm zu einem Engagement in Hamburg verholfen, dort sitze der Knabe für den Augenblick fest.
»Wie siehst du die derzeitige Lage?«, fragte Amelie als sie Uli anrief, um das Treffen mit ihm und Gregor auszumachen.
»Tendenziell Wetterberuhigung, aber noch kein Aufwind.« Seine Stimme klang flach, das Schwungvolle, das so sehr zu Uli gehört hatte, war dahin. Hoffentlich nicht für immer, dachte Amelie und schlug das Palmenhaus im Burggarten für die Begegnung mit Gregor vor.
Es wurde eine Pleite. Die beiden Männer waren sich vom Anfang an nicht grün.
Als Amelie die Stufen von der Parkanlage zu den Gewächshäusern hinaufstieg, sah sie Gregor unter der Markise auf der überfüllten Caféhausterrasse sitzen. Sie winkte ihm zu, er winkte nicht zurück, er stand nicht auf, als sie an den Tisch trat. »Bist du schlecht aufgelegt?«, fragte sie, er antwortete nicht.
»Du solltest…«, begann sie.
»Ich sollte gar nichts«, unterbrach er sie. »Die ganze Idee mit dem Treffen ist Schwachsinn. Was will denn der Kerl von mir? Wenn er in fünf Minuten nicht da ist, bin ich eine Staubwolke.«
Amelie war bestürzt.
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