América
würde kühl werden. Sie dachte an ihr eigenes Haus, an Delaney, der jetzt überall die Fenster öffnen und die großen, langsamen Deckenventilatoren einschalten würde, während der Salat im Kühlschrank und die Pasta dampfend auf dem Herd stand und Jordan einen Ball gegen die Garagentür knallte. Wenn sie sich beeilte, konnte sie um sieben zu Hause sein.
Aber sie beeilte sich nicht. Je mehr sie an zu Hause dachte, an ihren Sohn, ihren Mann, ihren einen Hund, desto gereizter wurde sie. Sie zögerte an der Türschwelle, durchwanderte die höhlenartigen Zimmer wie ein Gespenst, ließ die Finger über den Filz des Billardtisches gleiten, als liebkoste sie den stoppligen Flaum in Jordans Nacken. Sie sah nur nach, ob alles in Ordnung war, sonst nichts, aber irgendwie spürte sie - immer stärker, so daß es sie beinahe übermannte -, daß sie diesen Ort nicht mehr verlassen wollte, nie wieder.
Später Vormittag, Stille im Haus, gedämpftes Licht, der Telefonhörer neben der Gabel. Delaney saß in seinem Arbeitsraum, einem ehemaligen Schlafzimmer, in dem jetzt ein Sofa, sein Schreibtisch und ein paar Aktenschränke standen, beugte sich vor in den Kreis des Kunstlichts, während die Sonne durch die Lamellen der zugezogenen Jalousien scharfe Schlitze schnitt.
Vor einer Weile war er mit Schaufel und Pickel draußen gewesen und hatte im Lehmboden, der hart wie Asphalt gewesen war, die Überreste des Hundes verscharrt, um dieses Kapitel abzuschließen. Gott sei Dank. Jetzt saß er wieder an der Arbeit - abgetrennte Gliedmaßen, entnervte Ehefrauen, verschreckte Kinder und öffentliche Versammlungen gehörten der Vergangenheit an, und er gab seiner nächsten Kolumne den letzten Schliff:
Pilger am Topanga Creek
Wer bin ich, mit meinem Wanderstab in der Hand und dem Nylonrucksack auf den Schultern wie ein zusammengefaltetes Flügelpaar? Wer bin ich, der da in den butterweichen Glanz der Abendsonne hinaustritt, inmitten der Stauden von gelb blühenden Senfpflanzen, die mir bis zum Ellenbogen und noch weiter reichen? Ich bin ein Pilger, ganz einfach, ein Seher, ein Andächtiger im heiligen Schrein. Im Grunde nicht viel anders als Sie: den halben Tag ans Haus gefesselt, der Sklave meines Computers - einer, der seinen täglichen Schuß elektrischen Stroms so nötig braucht wie der Junkie seine numinose Droge. Und doch auch wieder anders, denn ich habe die Berge zum Durchstreifen und meine Beine, die mich dorthin tragen. Heute nacht - heute abend - gehe ich ein Abenteuer an, ein Wagnis, eine Pilgerreise unter die dünne Decke des Sichtbaren, um meine Umwelt so intensiv zu erleben wie der Wordsworthsche Blutegelsammler und seinesgleichen: Ich werde in die Feste der Santa Monica Mountains hinaufsteigen, um dort - in Sicht- und Hörweite der zweitgrößten Metropole des Landes, übrigens sogar innerhalb der Stadtgrenzen - eine einsame Nacht zu verbringen.
Ich bin aufgeregt. Ungeduldig. Gespannt wie eine Gitarrensaite. Denn noch kenne ich diese Hügel nur im gleißenden Mittagslicht, am frühen Morgen und am frühen Abend (ich habe sie gekostet, wie man eine exotische Frucht kostet) durch die Vorhänge der Nacht, doch dies wird mein erster Aufenthalt hier unter dem Sternenzelt sein. Seit dem Moment, als mich meine Frau am Beginn des Trippet-Ranch-Pfades mit einem Kuß verabschiedete und mir versprach, mich um neun Uhr früh dort wieder abzuholen, verspüre ich ein urwüchsiges Gefühl der Befreiung und Erleichterung, und während ich durch das unverzagte Gestrüpp langsam bergauf gehe, kann ich nicht umhin, die Namen der Pflanzen - Buschmohn, Sumach, Manzanita, Säckelblume, Chamiso und Rotstammstrauch - in einer Art Mantra vor mich hinzusingen, immer und immer wieder.
Der Senf übrigens ist ein Eindringling hier, ein einjähriger Kreuzblütler, den die Franziskanerpadres mitbrachten - man erzählt sich, sie hätten damals entlang des Camino Real handvollweise Senfkörner ausgestreut, um den Weg zu markieren, aber natürlich verfolgten sie auch noch einen Hintergedanken: handelt es sich doch um den gleichen Senf, der im Glas auf unserem Tisch endet. Er blüht nach den Regengüssen und verwandelt die Hügel bis zum Horizont in ein pointillistisches Gemälde aus gelben Blüten, doch jetzt, zu dieser Jahreszeit, beginnt er bereits zu verwelken. In einem Monat wird nichts mehr übrig sein als verdörrte Blätter und vertrocknete Stengel.
Manzanita und Toyon dagegen, mit ihrer Last wohlschmeckender Beeren, halten die lange Hitzeperiode
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