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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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    Auch eine Reihe anderer Fälle, in denen es um Benachteiligung oder Diskriminierung von Afroamerikanern ging, landeten auf Obamas Schreibtisch. Zum Beispiel reichte er Klage gegen eine Bank ein, die systematisch die Bewohner eines »schwarzen« Viertels abwies. Sein Engagement als Jurist führte ihn dann schnell in die Politik. In jener Zeit schrieb er das Buch Ein amerikanischer Traum. Die Geschichte meiner Familie , das er 1995 zuerst einer Handvoll Bekannter im Hinterzimmer der Buchhandlung 57th Street Books vorlas und das später zu einem Bestseller wurde, euphorisch besprochen in New York Times und Washington Post .
    Im selben Jahr begann er ernsthaft über eine politische Karriere nachzudenken. Und er hatte Glück, unerwartet bot sich eine Chance. Als ein Abgeordneter im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten wegen Sexualdelikten verurteilt wurde – unter anderem wegen Missbrauchs einer Sechzehnjährigen –, bewarb sich Alice Palmer, Mitglied des Senats von Illinois, um den frei gewordenen Sitz und unterstützte Obamas Kandidatur für ihr eigenes Amt. Obamas alter Studienfreund Jesse Ruiz veranstaltete in der Wohnung seiner Freundin ein kleines Fundraising-Dinner, das 1000 Dollar einbrachte. Obama kandidierte mit Erfolg für das Senatorenamt – der Rest der Geschichte ist bekannt.
    Etwas anderes nicht: Als Obama in einem vertraulichen Gespräch mit Ruiz zum ersten Mal von seinen Plänen für eine politische Laufbahn sprach, dachte er keineswegs an das Präsidentenamt. Er hoffte auf einen Anfang im Senat von Illinois, und als Höhepunkt seiner Karriere wünschte er sich die Wahl zum Bürgermeister von Chicago. Er wollte kein zweiter Kennedy werden. Sein Traum war es, ein zweiter Harold Washington zu sein.
    Die Geschichte von Obamas politischen Lehrjahren lässt erkennen, wie mühsam der Kampf für die Bürgerrechte noch am Ende des 20. Jahrhunderts war, sogar in Chicago. Die Afroamerikaner pflegten zu sagen: »Im Süden ist es den Weißen egal, wie nah man ihnen kommt, wenn man es nur nicht zu weit bringt. Im Norden ist es ihnen egal, wie weit man es bringt, wenn man ihnen nur nicht zu nah kommt.«
    Auch in der Arbeitswelt wurde gekämpft, und zwar mit großer Härte. Bei Streiks setzten Arbeitgeber nicht selten bewaffnete Privatmilizen ein. Manche militanten Gewerkschaftler wiederum griffen zu terroristischen Mitteln. In der Stahlindustrie wurden allein in den Jahren 1908 bis 1910 mehr als hundert Bombenanschläge auf Fabriken und Werkstätten verübt, in denen gewerkschaftliche Aktivitäten verboten waren. Die technischen Kenntnisse hatten die Bombenbastler von den Kumpeln im Bergbau.
    Clarence Darrow war einer der wichtigsten Akteure in diesem Kampf um Bürgerrechte, aber je älter er wurde, desto größer wurde sein Zynismus. Viele Fälle übernahm er nur, weil er Geld brauchte und die Gewerkschaften ihn gut bezahlten. Dennoch blieb er auf seine Weise engagiert und unabhängig. Im Jahr 1920 beispielsweise verteidigte er den amerikanischen Kommunisten Benjamin Gitlow, obwohl er dessen Ansichten keineswegs teilte. Gitlow war wegen Anstiftung zum gewaltsamen Umsturz angeklagt worden, nur weil er eine kommunistische Streitschrift verfasst hatte. In diesem Left Wing Manifesto sagte er voraus, dass sich eines Tages die Arbeiter gegen das kapitalistische System erheben würden, rief aber nicht zu einer Revolution auf.
    Darrow verteidigte Gitlow mit Verve. Sein Mandant sei ein Intellektueller, der mit seinen Ansichten ganz in der amerikanischen Tradition stehe. Auch George Washington sei ein Revolutionär gewesen, gab er den Geschworenen zu bedenken. Genau wie Jesus Christus. Und Lincoln, der von dem Recht der Amerikaner zur Absetzung ihrer Regierung gesprochen habe.
    Doch es war die Zeit der ersten sogenannten red scare , und Gitlow wurde zu fünf bis zehn Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er zwei in Sing-Sing absitzen musste. In den bewegten Jahren 1919 und 1920 waren militante Linke, beeinflusst von der Russischen Revolution, in den Vereinigten Staaten sehr aktiv. Ein Bombenanschlag wurde auf das Haus des Attorney General Alexander Mitchell Palmer verübt, Paketbomben wurden an Kabinettsmitglieder und Senatoren verschickt, in Chicago und Washington kam es zu Aufständen von Afroamerikanern, im Bergbau und in der Stahlindustrie zu großen Streiks.
    Nach den zwanziger Jahren eroberten die Gewerkschaften in langen und schweren Kämpfen eine starke Position.

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