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Amerikanische Reise

Titel: Amerikanische Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
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willst?« Jan weiß, daß er mit seiner Äußerung sehr weit geht, aber es ist ihre Entscheidung, denkt er, darüber zu reden oder
     nicht.
    Sie legt den Kopf in den Nacken und sieht an die Decke als wolle sie abschätzen, wie weit der Komet, über den sie eben geredet
     haben, noch entfernt ist. »Weißt du«, sagt sie schließlich, »als mir vor drei Wochen klarwurde, daß ich schwanger bin, war
     ich weder glücklich noch unglücklich darüber, aber ich dachte, in dem Moment, in dem ich es Walter sage, wird es gut. Nur
     hat sich dieser Augenblick nicht gefunden. Ich wollte ihn nicht aus seiner Arbeit reißen mit der Bemerkung: Du, ich muß dir
     was sagen. Und abends ein paar blitzende Weingläser auf den Tisch zu stellen wäre wie schlechtes Fernsehen. Ich fand keinen
     Moment, in den meine Schwangerschaft hineingepaßt hätte.«
    Jan trinkt einen Schluck Bier. »Habt ihr denn nie darüber geredet?«
    »Gelegentlich. In letzter Zeit allerdings weniger.« Sie hat ihr Gemüse bis auf ein paar Bohnen aufgegessen und schiebt den
     Teller ein Stück zur Seite. »Weißt du«, fährt sie fort, »ich habe mich vor einigen Monaten in Rick verliebt. Es hat mich überrascht,
     aber schließlich konnte ich nicht mehr ignorieren, daß ich mich danach gesehnt habe, ihn zu sehen und mit ihm zu reden.« Sie
     lächelt über sich, als sehe sie sich jetzt als Teenager. »Rick gehört so gar nicht zu der Art Männer, die ich für mich als
     Gefahr betrachtet hätte. Wenn ich mich in dich verlieben würde, läge das nicht so fern. Wir sind uns ähnlich.«
    |193| Wenn ich mich in dich verlieben
würde –
Jan hat gedacht, sie wäre es, und er glaubt es immer noch. Er ist eifersüchtig.
    »Mir hat Ricks Naivität gefallen«, fährt sie fort. »Seine Lust, einfach zu machen, ohne groß zu überlegen. Walter ist ähnlich,
     aber bei ihm wirkt in letzter Zeit alles verkrampft. Wie auch immer, vor ein paar Monaten mußte ich mir eingestehen, daß ich
     mich in Rick verliebt hatte. Es war die Zeit, in der wir diese Fotos gemacht haben. Es war eine schöne Zeit. Ich war glücklich.«
    Jan nickt. Er gönnt ihr das Glück, und er versucht, seine Eifersucht aufzulösen. Er ist Kristins Vertrauter, auch nach vier
     Jahren noch, und damit wahrscheinlich mehr, als Rick jemals werden könnte.
    »Und Walter?« fragt er.
    »Ich habe es ihm recht spät gesagt. Ich nehme an, er hat es bereits geahnt«, sagt Kristin. »Er ist ruhig geblieben, was mich
     überrascht hat. Er meinte, ihm sei bewußt, daß die Arbeit drohe, ihn zu verschlingen, und daß daher im Augenblick vieles nicht
     gehe, was früher selbstverständlich gewesen sei. Aber er habe keine Wahl. Entweder er mache den Job richtig oder gar nicht.
     Er bat mich, ich solle ihm Zeit gehen.« Sie macht eine Pause und trinkt ihr Bier aus. Schaumreste kriechen langsam in das
     Glas hinab. »Vor ein paar Wochen habe ich mich mit Rick gestritten. Er wollte das Bild in die Ausstellung nehmen, das bei
     uns im Wohnzimmer hängt. Ich war dagegen. Ich finde, es ist ein privates Bild, das nichts mit den Arbeiten in der Ausstellung
     zu tun hat. Er hat das zugegeben, aber er wollte es trotzdem dabeihaben. Ich blieb bei meinem Nein. Er warf mir vor, ich wolle
     mein Gesicht nicht zeigen, weil mir die Sache in Wirklichkeit unangenehm sei. Ich wäre noch nicht frei, hat er gesagt, und
     ich mußte lachen, weil er |194| wirklich daran glaubt, man müsse nur
frei
werden. Hinterher habe ich Walter von dem Streit erzählt, nicht in allen Einzelheiten, von dem Bild in der Ausstellung wußte
     er nichts. Aber er hat sowieso kaum zugehört. Es reichte ihm völlig, daß es zwischen mir und Rick zu einer Auseinandersetzung
     gekommen war. Er schaltete seinen Rechner ab, und wir verbrachten den Abend zusammen, den ersten seit langem.«
    Sie macht wieder eine Pause. Jan hat seine Hühnchenschenkel aufgegessen und klebrige Finger. Er sucht eine Serviette und findet
     keine. Kristin steht auf und kommt kurz darauf mit zwei Glas Bier und ein paar Servietten zurück. Sie setzt sich. »An diesem
     Abend haben Walter und ich miteinander geschlafen«, sagt sie und dreht ihr Bierglas auf der Stelle. »Ich glaube, Walter hat
     gehofft, daß ich schwanger werde. Er sah die Gefahr, in der sich unsere Ehe befand, und er wollte mit einem Kind alles unumkehrbar
     machen. Er wird nicht bewußt so gehandelt haben, aber ich glaube, es hat eine Rolle gespielt.«
    Sie trinkt einen Schluck Bier. Jan ist erstaunt über die Nüchternheit,

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