Amnion 2: Verbotenes Wissen
Lächeln ausdrückte. »Leider habe ich keine Wahl. Geh ich dir nicht aus dem Weg, schlägst du mich wahrscheinlich tot. Im Moment machst du mir den Eindruck, als wärst du mit einer Hand dazu imstande. Aber wenn ich’s tu, macht voraussichtlich Nick mich kalt.«
Die Steifheit seiner verschränkten Arme erinnerte Morn an die Arthritis, die ihn zu verkrüppeln drohte; an seine Treue zu seinem Freund Orn, der ihm, als er ihn zusammenschlug, die Arthritis eingebrockt hatte.
Acht Minuten.
»Ohne jeden Zweifel ist es unvermeidlich gewesen. Ich meine, alles ist von Anfang an falsch gelaufen. Ich gehöre hier nicht her, ich bin nicht der Richtige für diese Art von Dasein. Ich habe mich bloß dafür entschieden, weil ich nicht mit den Alternativen leben konnte, aber es ist einfach nichts für mich. Oder ich bin nicht dafür geeignet. Empörung und Idealismus sind so gut wie jeder beliebige Vorwand, um Illegaler zu werden, aber sie genügen nicht. Irgendwann mußten die Widersprüche mich ja einholen. Man könnte sagen, das einzige, was ich erreicht habe, ist doch, den Leuten, gegen die ich mich stellen wollte, ihre moralische Rechtfertigung zurückgegeben zu haben. Es wäre besser, ich könnte jetzt unter alles ’n Schlußstrich ziehen.«
»Vector, laß das Quatschen! Für so was fehlt mir die Zeit!« Morns Hände fühlten sich an, als müßten sie bei jeder Regung Funken sprühen. Eigentlich hätte sie um Atem ringen müssen, doch die Wildentschlossenheit ihres Willens bändigte ihr Ungestüm. »›Empörung und Idealismus‹ sind eine beschissene Ausrede, um Menschen an die Amnion zu verkaufen. Das weißt du genau. Aber du magst den logischen Konsequenzen deiner eigenen Entscheidungen nicht ins Auge blicken, du versuchst dich davor zu drücken, indem du dich selbst zum Unhold abstempelst. Du willst beweisen, du hättest verdient gehabt, was die VMKP sich mit dir geleistet hat. Wer würd’s denn kritisieren, den Impfstoff gegen die Amnion-Mutagene einem Illegalen wie dir vorzuenthalten? Wer könnte denn Achtung für Orn Vorbulds Freunde erübrigen? Begreifst du nicht, wohin diese Art von Denkweise führt? Sie endet beim Genozid, Vector. Dem Untergang des gesamten Menschengeschlechts. Schau mich an. Du glaubst, ich stehe hier, um meinen Sohn zu retten. Und du hast recht. Aber ich täte das gleiche, würdest du in der Kosmokapsel stecken. Ich täte sogar das gleiche für Nick.« Ungeachtet ihres Abscheus vor Nick sprach sie damit die Wahrheit. »Ich habe mehr Grund als du, um die VMKP zu hassen. Und mehr Grund als du, um mich vor Nick zu fürchten. Ich hätt’s aber lieber, wir wären alle tot, als diese Art grenzenlosen Verrats zu dulden.«
Sieben Minuten.
Sie trat um zwei Schritte vor: wie eine Stichflamme.
»Geh mir aus dem Weg!«
Langsam löste Vector die verschränkten Arme. Sein Blick hatte sich nach innen gekehrt; seinem Gesicht ließ sich nichts anderes mehr ansehen als die ungesunde Färbung. »Du bist noch immer Polizistin«, meinte er leise. »Egal was du inzwischen getrieben hast. Im Grunde genommen bist du noch ’ne echte Astro-Schnäpperin. Eine der wenigen echten euresgleichen. Du behauptest, du gingst das gleiche Risiko ein, wenn ich in der Kapsel säße. Ich habe das Gefühl, ich kann’s dir sogar glauben. Das ist etwas wert. Natürlich hast du recht. Ich habe die Entscheidungen gefällt, durch die ich in diese Scheiße geraten bin, und jetzt will ich die Folgen nicht tragen.
Wer die Astro-Schnäpper wirklich gründlich aus ganzem Herzen haßt, müßte mehr Haltung haben.«
Indem er zur Seite trat, winkte er in die Richtung seiner Kontrollen.
Morn sprang so schnell darauf zu, daß sie nicht sah, wie Vector seine Füße fest hinstellte, die Beine mit vollem Körpergewicht aufs Deck stemmte; nicht einmal bemerkte, wie er den Arm nach hinten bog. Sie nahm kaum ein Huschen seines Arms wahr, als er ihr mit der vollen Wucht seiner Massigkeit die Faust an den Kopf hieb.
Der Schlag warf sie gegen die Wand und fällte sie im nächsten Moment, als wäre sie mitten durchgebrochen.
Sechs Minuten.
»Tut mir leid.« Irgend etwas machte Vectors Stimme dumpf. Möglicherweise preßte er die geprellten Fingerknöchel auf den Mund. »Du hast’s nicht verdient. Ich wollte nur sicher sein, daß du mich zu nichts gezwungen hast.«
Anscheinend blickte er aufs Chronometer. »Du hast noch fünf Minuten und achtundvierzig Sekunden.«
Morns Schädel dröhnte wie ein Glockenturm. In den ersten Sekunden konnte das
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