Amnion 2: Verbotenes Wissen
leichte Blutrünstigkeit seines Blicks, als gewöhnlich. Aber seine Anwesenheit auf der Brücke bedeutete schon an sich eine Abweichung von der Routine: Sonst wartete er, wenn Mikka und Liete Schichtwechsel hatten, in Morns Kabine auf sie. Während Morn den anderen Zweitoperatoren zum Kommandomodul hinausfolgte, scheuchte Nick mit einem Wink den Kommunikationsanlagen-Drittoperator aus seinem Sitz und nahm selbst darin Platz.
Morn ließ sich beim Hinausgehen kaum genug Zeit, um sich zu vergewissern, daß sie richtig gesehen hatte, und schon war sie unterwegs zur Hilfssteuerwarte.
Sie hatte es eilig; sie wußte, ihr blieb nur eine kurze Frist für ihr Vorhaben. Trotzdem fand sie auf dem Weg zur Hilfssteuerwarte einige Augenblick lang Gelegenheit zum Nachdenken. Sie hatte das Empfinden, zum erstenmal seit Wochen wieder richtig denken zu können. Ursprünglich hatte ihre Idee gelautet, die Kommunikationsanlagen-Kontrollkonsole der Hilfssteuerwarte zu aktivieren und sie ihrem Gegenstück auf der Brücke zuzuschalten. Dadurch könnte sie mitverfolgen, was Nick machte. Selbst wenn sie den Inhalt des Funkspruchs nicht mitbekäme, wäre es ihr doch möglich, die Richtung festzustellen, in die er die Nachricht abstrahlte.
Doch sobald sie ihren Einfall etwas genauer durchdachte, wurde ihr klar, daß Liete es merken müßte, wenn sie die für die Kommunikation bestimmte Kontrollkonsole der Hilfssteuerwarte in Betrieb setzte. Liete würde Nick informieren – und Nick hätte keine Mühe, zu erraten, in welcher Absicht Morn handelte.
Aber es gab eine zweite Möglichkeit.
Niemand konnte einen Data-Nukleus abändern. Jeder Sachverhalt, den man an Bord der Käptens Liebchen elektronisch festhielt, jede Aktion des Raumschiffs fanden darin Permanentspeicherung. Und das hieß…
Es hieß, ganz gleich, wie viele Informationen Nick vorsätzlich aus dem Computerlogbuch der Kommunikationsanlagen löschte, ihre Kopien im Data-Nukleus konnte er nicht antasten. Deshalb mußte beim Rückkopieren aus dem Data-Nukleus der gesamte Informationsgehalt der Datenbestände des Raumschiffs in ungekürzter Fassung wiederhergestellt worden sein.
Falls Nick daran nicht gedacht hatte – nach dem Rückkopieren nicht alle seine Löschungen von ihm wiederholt worden waren –, konnte Morn in alles Einsicht nehmen, was er an Bord je zu verheimlichen geplant hatte.
An der Daten-Kontrollkonsole der Hilfssteuerwarte vermochte sie für sich die Botschaft zu kopieren, die er momentan funkte.
Wenn sie die zweite Kontrollkonsole einschaltete, wurde dies natürlich an Lietes Kommandokonsole angezeigt. Doch was sie eigentlich tat, ließe sich daraus nicht ersehen. Und irgendwie ihren Wunsch zu erklären, die andere Kontrollkonsole zu gebrauchen, wäre nicht allzu schwierig. Sie konnte sich einen Vorwand ausdenken, der im Rahmen ihres Aufgabenbereichs lag.
Unter anderen Umständen hätte sie sich dafür ausgescholten, diese Überlegungen nicht eher angestellt zu haben. Aber nun hatte sie für Selbstvorwürfe keine Zeit.
Zum Glück fand sie die Hilfssteuerwarte leer vor. Sie schob ihre Id-Plakette schon in die Konsole, als sie sich in den Sitz schwang. Um sich abzusichern, rief sie per Interkom Mikka an und bat um ihre Einwilligung, ein paar Nachforschungen vornehmen zu dürfen; auf Antwort wartete sie allerdings nicht. Ihre Finger flitzten über die Tasten. Als Mikka rückfragte, was für Nachforschungen sie meinte, gab sie ihr die Auskunft, sie wollte versuchen, ob sie die Standardparameter oder Protokolle aufspüren könnte, die Orns Virus benutzte, um die Speicher zu löschen. Als das ›Einverstanden‹ der Ersten Offizierin aus dem Interkom-Apparat drang, hatte Morn schon mit der Wiederherstellung der gerade erst von Nick gelöschten Funknachricht angefangen.
Was sie erfuhr, traf sie so hart wie einer von Nicks Schlägen; aber es lähmte ihr Handlungsvermögen nicht; sie schrak nicht zurück, verhielt nicht einmal.
Den Text als solchen hatte Nick natürlich verschlüsselt. Morn konnte ihn nicht lesen, und es mangelte ihr an der Zeit, um die Dechiffrierung zu versuchen. Doch sie erkannte den Bestimmungsort und die Sicherheitscodes, die Codes, die garantieren sollten, daß die Mitteilung den richtigen Empfänger und sonst niemanden erreichte. Darüber hinaus gestatteten die Programme der Datensysteme-Kontrollkonsole es ihr, den Abstrahlungsvektor zu ermitteln. Binnen Sekunden ersah sie, der Richtstrahlfunkspruch war an eine Kombination ihr durchaus
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