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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Geräuschkulisse an. Die Wirkung hatte etwas gleichermaßen Erschreckendes wie auch Hypnotisches an sich, ähnlich wie die Suggestivität Weißen Rauschens, aber zudem klang der Lärm, als kündete er unterschwellig irgendeine Art von Kataklysmus an. Daraus ergab sich die seltsame Täuschung, mit einer Ausnahme erzeugten die Monitoren samt und sonders nur Krawall zu dem Zweck, die einzige Ausnahme zu übertönen, daß diese alleinige Ausnahme wie ein Wahrsager knappe, klare Wahrheit vermittelte; und daß dieser Wahrheitsverbreiter andauernd zwischen all den Bildschirmen den Platz wechselte, es infolgedessen nur dem schonungslosesten und wildentschlossensten Konzentrationsvermögen gelingen könnte, wenigstens Brosamen der sprunghaften Weisheiten zu erhaschen, während sie von Bildfläche zu Bildfläche hüpften.
    Warden unterdrückte das Bedürfnis, gegen den Drachen einen Fluch auszustoßen. Für dergleichen fehlte ihm die Zeit.
    Gedrängt durch die Eile, zwang er die Beine, ihn von der Tür in die Richtung der Videowand zu befördern, bis er in Nornas Blickfeld trat. Sie machte keinen erkennbaren Versuch, einzelne Bilder zu betrachten; vielleicht hatte sie mittlerweile gelernt, die gesamten Programme auf einmal mitzuverfolgen. Oder unter Umständen war ihrer Erinnerung entfallen, auf was sie ursprünglich zu achten beabsichtigt hatte. Ihr Gaumen und die Lippen ahmten unaufhörlich Kaubewegungen nach, als ob sie sich auf den Geschmack von Speisen zu besinnen versuchte. Ohne daß sie es verhindern konnte, rann ihr Speichel in die Falten des Kinns.
    Für einen winzigen Moment jedoch streifte ihr Blick Warden. Dann galt ihre Beachtung wieder ausschließlich den Bildflächen.
    »Warden.« Ihre Stimme erreichte sein Gehör durch die vielfältige Beschallung nur ganz leise. »Warden Dios. Wird auch höchste Zeit.«
    Warden hob verblüfft die Brauen. »Sie haben mich erwartet?« fragte er, weil ihm nichts Gescheiteres einfiel.
    »Natürlich habe ich Sie erwartet«, brabbelte sie kaum verständlich, als gehörte ihre Stimme zum Krakeelen der Bilderwelt. »Mit wem sollten Sie denn sonst reden? Gehen Sie da weg. Sie versperren mir die Sicht.« Warden schaute sich um, stellte fest, daß er ihr tatsächlich den Blick auf einen seitlichen Ausschnitt des Bildermosaiks beeinträchtigte. Zum Zeichen des Bedauerns hob er die Schultern und trat einen Schritt zur Seite. »Ist es so besser?«
    »›Besser?‹« Irgend etwas am Zucken ihrer blutleeren Lippen erweckte den Eindruck, daß Norna Fasner lachte. »Wenn Sie glauben, hier würde jemals etwas ›besser‹, machen Sie Ihre Stippvisite vergeblich. Dann gibt es nichts, über das wir sprechen könnten.«
    Warden furchte die Stirn. In der Stimmung für Haarspaltereien war er wahrlich nicht. Dennoch gab er eine maßvolle Antwort. »Verzeihen Sie meine Wortwahl. Ich kann nicht erkennen, daß etwas besser geworden wäre.«
    Unausgesetzt mahlten Nornas zahnlose Kiefer. »Nein. Und es wird sich auch nichts bessern. Bis Sie ihn zur Strecke gebracht haben.«
    Holt Fasner hatte gegenüber Warden wiederholte Male betont, durch welch geistige Schärfe sie sich auszeichnete; daß sie ein nahezu hellseherisches Verständnis der Welt jenseits ihrer Bildschirme hätte – der Welt, die sie nicht sehen konnte. Dennoch flößte ihre Direktheit Warden Bestürzung ein.
    »›Ihn zur Strecke gebracht‹?«
    »Ist das nicht der Grund, warum Sie kommen?« Obwohl es den Anschein hatte, daß sie nichts von allem Dargebotenen Beachtung schenkte, nichts mitverfolgte, wich ihr Blick nie vom unablässigen Geflacker der Bilder. »Möchten Sie nicht, daß ich Ihnen sage, was Sie wissen müssen, um ihn zu Fall zu bringen?«
    Ein Schauder der Beunruhigung lief Warden über den Rücken, fuhr ihm in den Unterleib. Wieviel konnte Fasner hören? »Norna«, fragte Warden leise, um sie zu warnen, verließ sich darauf, daß sie seine Stimme von all dem Gequatsche zu unterscheiden verstand, »lauscht er, wenn Sie Besuch haben?«
    Ansehen konnte er ihr nicht, ob sie ihn hörte. Für einen Moment schwieg sie. Dann zuckte ihr Mund noch einmal auf eine Weise, die vielleicht ein Lachen bedeutete.
    »Woher soll ich das wissen? Zu mir kommt nie Besuch.«
    Warden unternahm einen zweiten Versuch. »Sollten Sie mit Ihren Äußerungen nicht vorsichtig sein?«
    Dieses Mal antwortete sie sofort, ohne das geringste Zögern. »Wieso? Es gibt nichts, was er mir noch antun könnte. Und wenn Sie Sorge um sich hätten, wären Sie nicht

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