Amnion 4: Chaos und Ordnung
schlicht und einfach kein Raumschiff mehr, in das er zurückkehren könnte.
Noch immer hob Angus nicht den Blick. »Ich höre zu.«
»Das will ich dir auch geraten haben«, fuhr Nick ihn an. Anscheinend ohne daß er es merkte, sammelte sich in seinen Mundwinkeln schaumiger Speichel. »Sonst mach ich dich fix und fertig… Und du weißt, daß ich dazu fähig bin.«
Angus widersprach nicht; er wirkte, als stäke in ihm nur noch wenig Leben. Sein Nicken glich dem Erbeben einer defekten Maschine.
Aber diese Gebärde genügte Nick.
»Du hast jede anzapfbare Kommunikations- und Scanningfrequenz zu überwachen und auf etwaige Anzeichen bevorstehender Komplikationen zu achten«, befahl er. »Falls du irgend etwas siehst oder erfährst, das den Eindruck erweckt, wir hätten Schwierigkeiten, lädst du sofort die Materiekanone und gibst entsprechende Drohungen durch. Das Raumschiff hat genug Energie zur Verfügung, um von hier aus die ganze Station zu demolieren. Angesichts so einer Gefahr hört Beckmann dir allemal zu. Seine Forschungen sind ihm zu wichtig, er wird nichts riskieren.«
Insgeheim sagte sich Davies, daß Nick recht hatte. Indem er sich Nick so nah auf die Pelle rücken ließ, war Deaner Beckmann ein schwerer Fehler unterlaufen.
Nun wandte Nick sein böses Grinsen Davies und Morn zu, obwohl auch seine nächsten Worte unverändert Angus galten.
»In der Zwischenzeit« – in seinem hitzigen Blick tanzte Heiterkeit – »überlasse ich die Hyland-Zwillinge dir.«
Davies glaubte zu spüren, wie sein Herz stehenblieb. Er hörte, wie Sib vor Schrecken ein erstickter Laut entfuhr, Mikka einen gedämpften Fluch ausstieß; doch diese Äußerungen besagten ihm nichts. Für eine Sekunde schien die Brücke sich rings um ihn zusammenzuziehen, auf nichts als Dunkelheit einzuschrumpfen. Erinnerungen umgaukelten inmitten eines Abgrunds der Hilflosigkeit sein Gemüt wie schwarze Schwingen: Angus mit dem Zonenimplantat-Kontrollgerät in der Hand, Angus’ Erektion unter den Nähten der Bordmontur, Angus voller praller Gewalttätigkeit…
Ruckartig richtete Davies den Blick auf Morn, sah sogar das wenige restliche Blut aus ihren Wangen weichen. Sie bewahrte Ruhe, blieb reglos, als könnte sie alles verkraften; aber die vollkommene Totenblässe ihres Gesichts und die weißlichen Ränder der Panik rund um die Netzhäute ihrer Augen verrieten, welche Furcht sie empfand.
Sarkastisch klatschte Nick sich selbst Beifall. »Wenn dieser Computer in deinem bösartigen kleinen Hirnkasten mit den beiden ein bißchen spielen möchte«, meinte er dann zu Angus, »nur zu, tu dir keinen Zwang an. Mir soll’s gleich sein.«
Gleich sein, hörte Davies. Gleich sein.
»Aber du darfst sie nicht aus den Augen lassen. Und sie sollen nichts anfassen.« Nichts anfassen.
»Erlaube ihnen nicht, irgend was zu reden oder bloß zu denken, das sie zu der falschen Vorstellung verleiten könnte, sie hätten vielleicht ’ne Chance, sich noch mal aus der Scheiße zu retten. Aber bring sie« – diese Einschränkung machte er sehr unvermittelt – »nicht um. Ich bin mit ihnen noch nicht fertig. Ist das klar?«
»Es ist klar«, bestätigte Angus mit tonloser Stimme.
Angus…
»Gut.« Nick fletschte die Zähne. »Wenn ich wieder da bin, darfst du mir alles erzählen.«
Morn, hilf mir. Sag mir, wie ich dir helfen kann. Wir müssen uns aus dieser Lage winden.
Mikka hatte sich nicht von der Stelle gerührt; ebensowenig ihre Kollegen. »Mir ist etwas nicht klar«, sagte sie schroff. »Du erwartest, daß wir aus Bammel vor dem, was Angus andernfalls Morn antut, deine Befehle ausführen. Aber gerade du hast ihm gestattet, mit ihr zu treiben, was ihm paßt. Womit willst du uns dann noch einschüchtern?«
Trotz ihrer Schwäche versuchte sie Nick unter Druck zu setzen; ihn zu zwingen, Morn und Davies wenigstens etwas Schutz zu gewähren.
Nick schwang sich zu ihr herum, seine Stimme drohte ihr wie eine Faust. »Ich habe euch nicht davor gewarnt, was er sich ausdenkt. Ich habe euch vor dem gewarnt, was ich mir für ihn gegen die beiden ausdenke.«
Mühsam hob Mikka die Schultern. »Könnte das schlimmer sein?«
»Du kannst mich ja auf die Probe stellen«, entgegnete Nick, schrie fast. Speichelflöckchen stoben von seinen Lippen. »Stell mich doch auf die Probe.«
Mikka musterte ihn, ohne mit der Wimper zu zucken; aber sie gab keine Antwort. Vielleicht fühlte sie sich dazu außerstande.
Angus hatte Nick verschwiegen, wie sich ein neues Kontrollgerät
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