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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Zeit blieb ihr? Wie lange mochte es noch dauern, bis die Umstände sie nötigten, in ihre Kabine zu gehen und sich hinter einem Medikament zu verstecken? Glaubst du wirklich, es sei vorzuziehen, ihn hier herumhängen zu lassen wie einen Rollbraten?
    Im Moment hatte sie das Empfinden, es sei der jetzigen Lage vorzuziehen, sich den Lauf einer Impacter-Pistole in den Mund zu schieben und abzudrücken.
    »Das war’s«, brummelte plötzlich Angus. »Wir empfangen sie nicht mehr. Sib und Scheißkapitän Schluckorso sind außer Reichweite. Wenn Succorso den Tod sucht, hat er nun dazu die beste Gelegenheit.«
    Morn beobachtete ihn. Er kauerte geduckt wie eine Kröte an seiner Konsole, Miene und Gesten zeugten von äußerster Konzentration. Noch immer hatte er sich nicht die Mühe gemacht, die Bordmontur wieder über die Schultern zu streifen. Morn konnte seine Tonnenbrust nur zu gut sehen, erinnerte sich zu genau daran: an das schwarze Dreieck aus Behaarung, das sein Brustbein wie eine Zielmarkierung bedeckte; seine helle, stets schweißige Haut. Und dennoch hatte er sich in irgendeiner Hinsicht verändert, unterschied sich, wenn auch nur in kaum merklichem Umfang, von dem Schlächter und Vergewaltiger, den sie kennengelernt hatte. Und genausowenig glich er noch dem verbissengrimmigen Maschinenmenschen, der sie auf Thanatos Minor aus den Klauen der Amnion befreit hatte. Nach ihrer Erlaubnis, seinen Data-Nukleus frisieren zu dürfen, hatten sich in seinem Innenleben wesentliche Wandlungen angebahnt. Diese außerordentliche Konzentriertheit wirkte so geballt wie seine frühere Bosheit und Roheit; doch sie hatte neue Inhalte und Bedeutungen.
    Morn dachte über Möglichkeiten nach, um ihn auszuforschen; zu klären, was diese Änderungen seiner Natur besagten. »Kehren wir wirklich um«, wandte sie sich an ihn, drehte den Monitoren den Rücken zu, »und holen Sib an Bord?«
    Oder haben wir ihn nur in den Tod geschickt, damit du Nick loswerden kannst?
    Angus’ Finger verharrten an der Steuerungstastatur. Langsam hob er die gelblichen Augen und erwiderte Morns Blick. Sie sah darin Andeutungen der Begierde; hinter seiner Selbstsicherheit und Zweckgerichtetheit Anzeichen des Kummers. Was willst du? hatte sie ihn gefragt, bevor die Posaune den Bannkosmos verließ. Ich will dich, hatte er geantwortet. Und sie darauf entgegnet: Lieber verwandle ich mich in einen Brocken geistlosen Fleischs. Doch seine Reaktion war für sie eine Überraschung gewesen.
    Er hatte fast erleichtert ausgesehen. Als hätte ihr Widerwille ihm eine Schwäche erspart, die er sich nicht leisten durfte.
    Jetzt verstand sie, daß er immer seine Freiheit stärker gewünscht hatte, als es ihn nach ihr gelüstete. Soweit sie ihm überhaupt über den Weg trauen konnte, war es der Fall, weil sie ihm die Chance gewährt hatte, sich von den Ketten der Prioritätscodes zu befreien.
    Am Technikkontrollpult hob Vector den Kopf, damit ihm Angus’ Antwort nicht entging. Davies hingegen war nicht anzumerken, ob er Morns Frage gehört hatte.
    Angus musterte Morn; dann zuckte er die Achseln. »Wenn wir die Gelegenheit haben, ja. Warum nicht? Ihm ist’s zu verdanken, daß ich endlich Succorso vom Hals habe. Das ist ’n Verdienst. Und wenn er so irre ist, könnte er uns vielleicht noch mal von Nutzen sein.«
    Er hielt Morns Blick stand, als ob seine Augen nie zwinkerten.
    »Alles übrige ist dir einerlei?« fragte Morn. »Als Mensch zählt Sib gar nicht für dich?«
    »Ich sage dir, was für mich zählt.« Angus ballte die Faust und tappte damit etliche Male sachte gegen den Rand der Konsole. Darüber hinaus jedoch zeigte er keine emotionale Regung. Zonenimplantate garantierten ihm Kaltschnäuzigkeit. »Für mich zählt der Grund, warum du Scheißkapitän Schluckorso nicht aussteigen lassen wolltest.«
    Morn runzelte die Stirn. Auf was zielte er ab?
    »Du hast mir das Herz gebrochen«, warf Angus ihr barsch vor. »Weißt du das überhaupt? Immer hast du’s auf ihn abgesehen gehabt. Du hast auf ’n ersten Blick ’n Auge auf ihn geworfen gehabt, damals bei Mallory.« Während des Sprechens wurde seine Stimme hörbar kehliger. »Ich wäre für dich zu morden bereit gewesen, hättest du mich ein einziges Mal so wie ihn angeschaut. Zum Henker noch mal, ich hätte jeden in der ganzen verdammten Station abgemurkst.« Sein Mund zuckte. »Hättest du mich jemals so angeschaut wie ihn, wäre dir von mir kein Härchen mehr gekrümmt worden. Ist es das, was jetzt mit dir

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