Amnion 4: Chaos und Ordnung
geringsten überrascht bin?«
Unversehens traf sein Zorn Davies. »Nimm deine Flosse von mir! Ich fasse sie schon nicht an.«
Davies gab sich alle Mühe, ebenso finster wie Angus dreinzuschauen. Er stemmte die Handfläche mit vollem Körpergewicht gegen Angus’ Brustkasten und hoffte, daß er ihn wenigstens seine Kräfte spüren ließ, sein Vater merkte, was er aus Morns Erinnerung gelernt hatte. Er hatte vor, sich keinesfalls einschüchtern zu lassen; so etwas konnte er sich gar nicht leisten.
Dann erst wich er zurück.
Wegen solcher Menschen wie Ihnen bin ich Polizistin geworden.
Falls Angus von dem, was sein Sohn ihm gegenüber klarzustellen beabsichtigt hatte, überhaupt etwas zur Kenntnis nahm, ließ er sich nichts anmerken. Seine Aufmerksamkeit galt längst wieder Morn. Der Streß, der sich in seiner Miene zeigte, blieb völlig undeutbar: er mochte auf mit tiefer Traurigkeit vermischte Wut zurückgehen. Oder vielleicht hatten die Systeme des Krankenrevier-Medicomputers ihm einfach zuwenig Analgetika verabreicht, um die Schmerzen seines Schädels vollauf zu betäuben.
»Ich hab was für dich.«
Mit einer nachlässigen Handbewegung warf er ihr einen Gegenstand zu, als handelte es sich lediglich um irgendein belangloses Ding.
Weil Morn erschrocken zurückfuhr, ließ sie den Gegenstand beinahe fallen. Doch mit den Fingern erhaschte sie das daran befestigte Kettchen.
Ihre Augen weiteten sich, als sie ihre Id-Plakette erkannte. »Woher…?«
Sie verstummte, war die Frage zu beenden unfähig.
»Von Nick«, antwortete Angus in einem Ton, der seinem Gesichtsausdruck an Gequältheit nicht nachstand. »Aber sie ist mir von ihm nicht etwa aus Großzügigkeit geschenkt worden. Wir hatten ’n Geschäftchen vereinbart. Ich sollte mir Davies krallen und ihn Nick überlassen. Im Gegenzug sollte ich von Nick dich kriegen. Um mir die Ernsthaftigkeit des Angebots zu beweisen, hat er mir die Id-Plakette gegeben.« Verkrampft hob er die Schultern. »Allerdings hat er nicht erwähnt, daß Davies mein Sohn ist. Und er hat obendrein verschwiegen, daß er dich längst den Amnion ausgeliefert hatte.« Nun wurde er sarkastisch. »Muß wohl seinem Gedächtnis entfallen sein.«
Morn neigte den Kopf, als hätte sie Tränen zu verbergen. Ein Ausdruck der Erleichterung oder des Kummers umspielte ihren Mund. »Wenigstens hat er sie nicht verkauft«, sagte sie leise durch das Haar, das ihr wie eine schmutzige Gardine übers Gesicht hing.
Für die Id-Plakette einer VMKP-Leutnantin hätten die Amnion gut gezahlt.
»Und wenn, war’s unwichtig gewesen«, erwiderte Angus. Anscheinend bereitete es ihm ein nebulöses Vergnügen, Nicks Hinterlist auszusprechen. »Die Amnion wußten von Anfang an alles über dich. Sie wußten, daß du Polizistin bist, als ihr Station Potential angeflogen habt.«
Ruckartig hob Morn den Kopf. Betroffenheit stand in ihren dunkel umschatteten Augen.
Angus gab auf ihre stumme Frage Auskunft. »Wie sich herausstellte, war Milos Taverner, dieser miese Schweinepriester, der ’ne Zeitlang als mein Erster Offi fungierte, als Spitzel für so gut wie jede Seite tätig, den KombiMontan-Sicherheitsdienst, die Astro-Schnäpper, für Nick, für die Amnion. Er hat alle Kenntnisse verkauft, an die er gelangte. Er muß die Informationen über dich schon verkauft gehabt haben, lange bevor du überhaupt in den Bannkosmos geflogen bist. Die Amnion waren sich genau darüber im klaren, um was es ging. Besser als Nick. Darum hatten sie die Bereitschaft, weiterhin mit ihm Geschäfte zu betreiben, obwohl er sie schon so oft beschissen hatte.«
»Warum haben sie mich trotzdem abfliegen lassen?« fragte Morn in gepreßtem Ton.
»Ich weiß eine interessantere Frage«, sagte Nick dazwischen.
Morn sah Nick an, als hätte er sie beschimpft. Auf Davies’ Zunge lag die Warnung, Nick sollte das Maul halten, doch er nahm sich zusammen und schwieg. Es bestand die Möglichkeit, daß Nick in seiner momentanen Situation, in der er dringend darauf bedacht sein mußte, das Gefühl der eigenen Wichtigkeit zurückzuerlangen, einmal etwas wirklich Entscheidendes von sich gab.
Nicks Grinsen vermittelte Ansätze seiner alten Wildheit. »Weshalb haben sie mich abfliegen lassen? Milos hatte ihnen ausgeplaudert, daß ich für den Scheißtyp Hashi Lebwohl arbeite. Also hatten sie allen Anlaß zum Argwohn.«
Angus musterte Nick bösen Blicks. »Ich ahne schon, daß du uns gleich die Antwort gibst. Sonst könnten wir ja womöglich vergessen, was
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