Amore macchiato: Roman (German Edition)
Privaturlaub.«
Zum ersten Mal sehe ich Paula heute lachen – wenn auch mit leicht verbittertem Unterton. »Das kommentiere ich jetzt nicht«, sagt sie, »schließlich bist du meine Kundin. Nichtsdestotrotz«, fährt sie fort, »ist uns ein solcher GAU noch nie passiert. Ich kann verstehen, dass Stefan denen ganz genau auf die Finger gucken will. Wir setzen an allen Enden an: er auf dem Festland und ich hier bei dir in Sardinien.«
»Okay, dann lassen wir uns mal überraschen.« Ich nehme ihr die kleine Reisetasche ab und schiebe sie am Arm Richtung Ausgang. »Lass uns erst mal ins Hotel fahren und dort eine Lagebesprechung abhalten.«
Später sitzen wir am Hotelpool und haben unsere Laptops und Akten vor uns ausgebreitet.
»Ich bin die komplette Korrespondenz durchgegangen«, berichtet Paula. »Hier sind die Mails aus Livorno, in denen die mir auf Nachfrage versichert haben, dass die Genehmigungsprozesse laufen und alles in Ordnung ist.«
»Hast du Scans von den Anträgen dabei, die Livorno hierfür eingereicht hat?«, will ich wissen.
»Nein«, Paula schüttelt den Kopf, »die Arbeitsdokumente tauschen wir nie untereinander aus. Jeder kennt seine Aufgaben und informiert den anderen über das Endergebnis.«
»Das habe ich mir schon gedacht«, stimme ich zu. »Weißt du, auch ich mache mir seit gestern durchgehend Gedanken darüber, wo mein Fehler liegen könnte, aber ich muss mich auf euch verlassen können. Ich kann doch nicht Dokumente zu jedem Arbeitsschritt von euch einfordern, um zu kontrollieren, ob ihr auch wirklich tut, was ihr mir sagt.«
»Eben«, stimmt Paula zu, »mir geht es ganz genauso. Unser wievieltes Projekt ist das nun zusammen, Annika? Das vierte oder fünfte? Es hat bisher immer geklappt. Ich überwache unsere Partneragenturen im Ausland genauso wenig auf Schritt und Tritt wie du mich. Das wäre gar nicht machbar. Mit Livorno arbeiten wir zum ersten Mal zusammen, und dass der Laden so chaotisch ist, konnten wir nicht ahnen.«
»Das wird ein Nachspiel haben«, überlege ich.
»Das denke ich auch«, antwortet Paula. »Wenn die Sache hier in die Grütze geht, werden die sich auf hoher Ebene gegenseitig die Schuld zuschieben wollen. Aber bis dahin«, fügt sie energisch hinzu, »lass uns versuchen, was wir beide noch aus dem Schlamm ziehen können.«
So kenne und liebe ich Paula. Immer professionell, immer optimistisch und meistens guter Laune. Dazu spricht sie fünf Fremdsprachen fließend und sieht auch noch gut aus. Keine Ahnung, warum eine Powerfrau wie sie an diesem bestimmt schlecht bezahlten Knochenjob festhält.
Inzwischen kennen wir uns seit vielen Jahren. Für jedes Event, dass ich bei GID zu organisieren habe, ist sie meine Kontaktperson bei unserer Eventagentur. Wir haben längst kein Kunden-Dienstleister-Verhältnis mehr, sondern sind so etwas wie Freundinnen geworden. Wir spielen uns gegenseitig die Aufgaben und Ergebnisse zu und arbeiten perfekt zusammen wie nahezu perfekt aufeinander eingespielte Eheleute.
»Sieh mal«, sagt sie unterdessen und reicht mir einen eng beschriebenen DIN-A3-Farbausdruck. »Dies ist die Statusliste, die ich mir mit Livorno wöchentlich hin- und hergemailt habe«, fährt sie fort. Hier ist der Stand von letzter Woche.«
Ich rücke meine Sonnenbrille zurecht und beuge mich über das Papier.
Jede Zeile ist ein To-do, also eine zu erledigende Aufgabe. Davon gibt es auf dieser Liste ungefähr dreißig, geschrieben in Schriftgröße acht. Die Relevanz der verschiedenen Aufgaben geht von der Personalschürzenbestellung und der Reservierung von Klohäuschen über die Bereitstellung der Bühnentechnik im hohen sechsstelligen Eurobereich bis hin zu diversen Formalitäten. Natürlich kenne ich solche Listen. Mit Paula habe ich eine ähnliche Aufstellung, die wir uns regelmäßig hin- und herschicken. Unsere Aufgaben betrafen bisher jedoch eher die Eventkonzeption, das Einladungsmanagement und die Kostenübersichten statt schlichte Materialbeschaffung, wie wir es in guten Zeiten mal spöttisch genannt haben.
»Wo kann ich denn sehen, welche Aufgabe bereits erledigt ist und was noch zu tun ist?«, frage ich.
»An den Farben. Gelb bedeutet ongoing, grün heißt erledigt und rot bedeutet ›muss dringend gemacht werden‹.«
Ich beuge mich wieder über die Liste. Dabei entdecke ich den Punkt »Mietvertrag Gelände mit Privatbesitzer«, der grün markiert ist, und die schlichte Zeile »Genehmigung Behörden« in Gelb.
Genehmigung Behörden:
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