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Amors Glücksfall (German Edition)

Amors Glücksfall (German Edition)

Titel: Amors Glücksfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Wasser
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Bank“, sage ich. Sie nickt und stellt freundlicherweise keine weiteren Fragen. Ich beuge mich hinunter, sammle Lorenzos Tasche vom Boden auf und breche auf.
    Zehn Minuten später stelle ich das Fahrrad vor einer Sparkassenfiliale ab, in die ich für die nächsten Minuten meine ganze Hoffnung setze. Ich atme durch, betrete den Eingangsbereich, ziehe Lorenzos Portemonnaie aus der Tasche und gehe damit an den Kontoauszugsdrucker. Ich nehme nicht an, dass Lorenzo neben dem Job bei mir noch einen Nebenverdienst hat. Dennoch hoffe ich es ein bisschen, während ich darauf warte, dass der Automat den Kontoauszug ausspuckt. Nach einer Weile hört das Rattern der Maschine auf und aus dem Metallschlitz springt mir ein Blatt Papier entgegen. Kurz darauf ist meine Hoffnung dahin. Ich sehe mich in dem leeren Schalterraum um, warte, bis die Lage etwas ruhiger geworden ist und wage mich anschließend in die Höhle des Löwen.
    „Grüß Gott!“, lächelt mich eine maximal Zwanzigjährige an. „Was kann ich für Sie tun?“
    „Na super, auch das noch!“ Dass der Löwe ein Bambi ist, macht die Sache für mich nicht gerade einfacher. Ich lege die Sparkassenkarte auf den Stehtisch zwischen die junge Bankangestellte und mich und gleichzeitig einen ernsten Ausdruck auf Lorenzos Gesicht.
    „Ich weiß, dass das Konto es nicht hergibt“, beginne ich. Sie sieht erst in ihren Computer und dann kopfschüttelnd zu mir hoch. „Aber ich verreise heute und hätte gerne eine kleine Reserve“, versuche ich weiter. Was bin ich froh, dass dies nicht die Bank von Frau Fuchs ist. Meine Kundenbetreuerin würde wissen, dass das, was ich als nächstes sage, nicht gerade der Wahrheit entspricht. „Das Gehalt kommt ja eh schon am nächsten Dienstag. Bitte machen Sie eine Ausnahme, ja?“ Ich lächle Lorenzos süßestes Lächeln. „Nur fünfzig Euro“
    Das Mädchen schnauft. Bei ihr klappt mein Plan offensichtlich, aber sie hat leider keinerlei Kompetenzen, wie sich herausstellt.
    „Ich frage mal“, s agt sie und verschwindet. Eine Weile lang bleibe ich allein. Erneut höre ich das Handy vibrieren und frage mich, welcher Verehrer es diesmal ist. Als ich in die Tasche greifen will, kommt die junge Frau zurück. Sie legt den Auszahlungsbeleg auf den Tisch zwischen uns. Er ist vollgeschmiert. Die fünfzig Euro, die ich haben wollte, sind durchgestrichen, in der Mitte steht etwas von Gehalt und Überziehung. Den Rest kann ich nicht entziffern. Ich hoffe so sehr, dass es Geld gibt, dass ich ohne zu murren im mittleren Feld über dem Wort Kundenunterschrift unterschreibe und erwartungsvoll zu ihr hinuntersehe.
    „Fünf, zehn, zwanzig, dreißig“, zähl t sie vor und legt die Scheine über den Zettel auf einen Haufen. „Mehr geht nicht“, sagt sie. „Ich hoffe, es ist in Ordnung“, fügt sie beinahe entschuldigend hinzu.
    „Azubi?“, frage ich un d stecke das Geld ein. Natürlich ist es nicht in Ordnung. „Aber Diät ist besser als Verhungern“, entscheide ich. Sie nickt und lächelt.
    „Ende zweites Lehrjahr. Ich bin fast fertig!“, sagt sie. Für einen kurzen Moment habe ich das Gefühl, sie reagiert auf mich. Tut sie natürlich nicht. Ich weiß genau, wie ich auf sie wirke. Ich bin ein riesiger, fetter Kerl, der sie nicht einmal zum Essen ausführen könnte. Außerdem denkt sie bestimmt, dass ich nur aus Freundlichkeit mit Frauen flirte oder eben wie jetzt, weil ich mir damit eine kleine Überziehung erschleichen will.
    „Danke“, sage ich. „Und viel Glück bei der Prüfung!“ Sie nickt, ich drehe mich um und gehe zum Fahrrad, das ich unabgesperrt vor der Tür stehen gelassen habe und das zum Glück noch immer da steht. Ich winke meiner Lebensretterin von der Straße aus durch die Glastür zu, steige auf das Rad und fahre los. Unterwegs beginne ich nachzurechnen. Dreißig Euro für zwei Wochen macht etwas mehr als zwei Euro pro Tag. Nicht besonders viel, wenn ich bedenke, was Lorenzo bis jetzt gegessen haben muss und wie gerne ich selbst zum Essen gehe. „Ich werde weiterhin haushalten müssen“, stelle ich fest, während ich ein paar Minuten später das Büro betrete. Zudem wird mir auf einen Schlag klar, dass dies bei Weitem nicht das einzige Problem ist, das ich habe. Ich gehe zu Lorenzos Tisch, sehe mir unterwegs meine Mitarbeiter an und begreife, dass es die Wenigsten von ihnen locker verkraften könnten, wenn das Gehalt sich verspäten würde. Ich denke an Herrn Moser und meine Mutter. Verspäten ist gut. Was, wenn das

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