Amors Glücksfall (German Edition)
Atem an meinem Ohr. Er denkt nach. „Als angehender Psychologe sucht er gerade bestimmt nach den richtigen Worten“, denke ich.
„Geht es dir gut?“, fragt er besorgt. Eine einfache Frage und die ehrlich klingende Stimme dazu. Diese Kombination macht mich verrückt und erinnert mich wieder an die Frau, wegen der ich seit Stunden im Kreis laufe. „Nein, natürlich geht es mir nicht gut, aber was verstehst du schon davon?“, will ich ihm antworten. Stattdessen nicke ich und drehe mich von ihm weg.
„Ja, alles in Ordnung .“
Er kauft mir die Worte nicht ab. Ganz vorsichtig legt er mir seine Hand auf den Rücken, zögert einen Moment und nimmt sie dann wieder weg.
„Ich will das nicht“, flüstere ich.
„Ich weiß, entschuldige. Ich mache mir nur Sorgen um dich, weiter nichts.“ Er reicht mir einen kleinen Zettel mit seiner Telefonnummer. Er muss ihn drinnen schon vorbereitet haben. „Nur für den Notfall“, flüstert er. Ich schließe die Augen und versuche mich zusammenzunehmen. Eigentlich ist alles geklärt zwischen uns. Karim weiß, dass da niemals was sein wird. Ich atme durch und begreife, dass ich Lorenzo nur wünschen kann, dass ich jetzt nur für mich spreche und dass Karim ihn wirklich so sehr mag, dass sie irgendwann eine Chance haben. Für diesen Jungen hier müsste er nämlich nicht einmal mit meinem durchtrainierten Körper auftrumpfen. Und das ist in den schwulen Kreisen doch sicher einiges wert. Ich überlege einen Moment. Genau genommen wäre es ja auch für die Heterokreise eine besondere Seltenheit.
„Gib mir ein bisschen Zeit“, sage ich und erkenne mich erst selbst nicht wieder. Vielleicht hat Wolfgang ja Recht und vielleicht ist es wirklich Zeit, dass Amor seine Prioritäten ändert. „Später, wenn er wieder da ist“, beschließe ich, „kann er von meiner Nettigkeit jetzt profitieren.“ Dass ich im Gegenzug ein bisschen Erfolg erwarte, wird mir nur langsam bewusst. Es ist ein kleiner Trick, damit Lorenzo zurück will und ich auf sein Geheimnis stoße. Zwei Wochen, mehr brauche ich nicht. Wenn Lorenzo Glück hat, meint Karim es wirklich ernst.
„Ich meine es ernst. M elde dich, wenn was ist!“, wiederholt er, als könnte er meine Gedanken lesen. Ich sehe nicht zu, wie er aufsteht und ins Büro zurückgeht. Doch auch ohne mich umzudrehen, weiß ich irgendwann, dass er gegangen ist. Ich bleibe sitzen und denke noch lange über seine Worte nach.
Und a ls ich zu meinem Platz zurückgehe, muss ich an ihm vorbei. Er sieht kurz auf und nickt mir unmerklich zu. In diesem Moment erst stocke ich und weiß von jetzt auf gleich, was ich tun muss, um endlich erfolgreich zu sein. Ich setze mich hin und schreibe eine private Nachricht. Sehr privat, sehr lang und völlig erstunken und erlogen. Aber sie wirkt.
20 Ein strategischer Rückfall
Wir treffen uns im Barolo am Odeonsplatz. Bei diesem Italiener haben sich auch Amanda und Peter beim ersten Mal verabredet. Was wohl dazu beiträgt, dass keiner der beiden Verdacht schöpft, als sie die vermeintliche Einladungs-E-Mail des jeweils anderen bekommen. Ich muss das Treffen zwei Mal verschieben, weil es sich als schwieriger herausstellt, zwei Dates parallel zu vereinbaren, als ich es mir zuvor gedacht habe. Aber am Ende funktioniert es doch, ohne dass ich auffliege, und auch ohne dass einer der Beteiligten abspringt.
Gespannt wie Flitzebogen bin ich viel zu fr üh da und sondiere schon mal die Lage. Vom Nachbarstisch aus mustert mich eine aufgebretzelte alte Dame, die sich immer wieder die Lippen nachzieht und über ihren Handspiegel hinweg zu mir sieht. Zuerst überlege ich, ob sie Lorenzo wohl kennt. Doch sie sieht jedes Mal, wenn ich sie ansehe, wo anders hin und gerade als ich sie ansprechen will, taucht Stella auf. Ich habe mich neben dem Eingang platziert und winke ihr zu. Ich sitze so weit hinten, dass sie mich nicht übersehen kann. So kann ich außerdem das, was mit den anderen Zwei passiert, im Blick behalten. Ich erkenne die beiden sofort und freue mich darüber, dass sie sich auch ohne mein Zutun nur wenige Meter weit vor uns setzen. Amanda ist live etwas farbloser als auf dem Bild. Doch sie ist nicht gefakt, was eine Erleichterung ist. Bei dem Skorpion-Peter hat Karims Recherche im Vorfeld für Klarheit gesorgt. Er behält Recht mit seinem Urteil: Peter sieht auch in echt aus, als bewürbe er sich um einen Job.
„Hallo!“, sagt meine Ex-Assistentin und lächelt zaghaft. Ihre Wimpern flattern wie
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