Amors Glücksfall (German Edition)
nickt und bietet mir meinen Kaffee an. „Erzähl schon“, fordere ich ihn auf. Nach einer Weile stehe ich auf und gehe zu ihm an den Tisch. Meine Hose ist noch feucht, aber jetzt trieft es wenigstens nicht mehr von mir herunter. Ich setze mich hin.
„Herr Moser lässt sich nur unter einer Bedingung darauf ein“, beginnt er. Ich lausche aufmerksam. „Ich habe ihm etw as versprochen, was dir nicht gefallen wird!“
„ Egal was es ist“, denke ich, „Hauptsache, mein Konto ist in den nächsten zwei Tagen freigeschaltet und ich bin wieder handlungsfähig und satt.“
„Was wäre das?“
„Der Rest des Geldes ist in zwei Wochen fällig, ansonsten lebt die Pfändung wieder auf.“ Er wartet ab, wie ich reagiere, bis er weiter spricht. Ich rühre mich keinen Millimeter. Irgendwie bin ich mir sicher, dass jetzt noch mehr kommt. Zwei Wochen Aufschub sind zwei Wochen Aufschub. Zwei Wochen Luft zum Atmen. Es klingt zu gut, um wahr zu sein. Wo ist also der Haken? Nur langsam wird mir bewusst, dass wir uns in der ersten Monatshälfte befinden. Die meisten Abbuchungen erfolgen in den nächsten Tagen und reizen auch den Dispokredit bis auf den letzten Euro aus. Paul kennt diese Gesetzesmäßigkeit, er weiß, wo das Problem liegt. Es wird uns unter keinen Umständen gelingen, die fehlenden 30.000 Euro bis in zwei Wochen zusammenzukriegen. Ich wette, dass er schon nachgesehen hat, welche offenen Rechnungen wir noch haben, auf die wir setzen könnten. Ich wette, es gibt nicht viel Hoffnung. Und plötzlich weiß ich, dass alles noch viel übler ist.
„Wann ist denn der Termin genau?“, frage ich vorsichtig.
„15. September.“ Pauls Stimme klingt so traurig, als wüsste er, was dieses Datum sonst für mich bedeutet. „Was ist das bloß für ein perfider Zufall?“, schießt es mir durch den Kopf. An diesem Tag kriege ich mein Leben wieder. Da habe ich geplant eine Riesenfete zu veranstalten, sofern meine Gipsarme es mir erlauben. Doch statt zu feiern, werde ich höchstwahrscheinlich vor dem Scherbenhaufen meiner Firma stehen. Das alles wird mir bewusst und auch, dass ich dem Ganzen nichts entgegenzusetzen habe.
„Ich habe ja gesagt, dass es dir nicht gefallen wird“, sagt Paul. Ich nicke, nehme einen Schluck Kaffee und nicke erneut.
„Irgendwelche Vorschläge?“, frage ich möglichst fröhlich.
„Ich warte noch auf einen Anruf“, sag t er ein wenig unbeteiligt. „Wenn ich dir die Möglichkeit vorstelle, muss sie Hand und Fuß haben, also warten wir es ab.“
„Aha“, antworte ich. Was auch immer es ist, Paul macht es spannend. Ich sehe auf dem Tisch neben ihm seine Dokumentenmappe, die aufgeschlagen da liegt. Auf dem Kopf kann ich nicht viel erkennen. Doch ich glaube, meinen Namen lesen zu können. Im untersten Drittel der Seite steht ganz sicher die entscheidende Zahl und das Ding ist nicht unterschrieben.
„Du glaubst mir also wirklich, nicht wahr?“ Ich greife nach dem Vertrag, überfliege den Inhalt, der seine Richtigkeit hat, und unterschreibe. Paul unterschreibt über dem Feld für den Darlehensgeber.
„Keine Ahnung“, sagt er. „Die Geschichte ist nicht gerade das, was ich glaubwürdig finde“, fährt er fort. „Aber deine Schrift hier zum Beispiel und die Sache gestern ...“ Ich sehe mir meine Unterschrift an. Tatsächlich gehört sie eindeutig mir. „Toller Freund“, denke ich dennoch. Soviel Vertrauen hätte ich bestimmt nicht besessen. Andererseits sehe ich, was ich sehe. Ob es der Vorsicht geschuldet ist, oder der Hoffnung Pauls, vielleicht doch irgendwann wieder an sein Geld zu kommen, weiß ich nicht. Wofür sollte dieser Vertrag hier aber gut sein, wenn ich wirklich der Entführer von Mark Hübner bin, der nebenberuflich Unterschriften fälscht und die Geschichte auch sonst nur erlogen ist?
„Entschuldige“, sage ich, stehe auf, gehe an ihm vorbei und ziehe die Gardine am Fenster zu. In Pauls Augen taucht erst Irritation auf, die sich aber beinahe sofort wieder verzieht. Jetzt ist er nur neugierig, was passiert, und beobachtet mich. Ich knöpfe mein Hemd auf und ziehe es aus.
„Willst du mich anmachen?“, fragt er und grinst.
„Du hast zwei Frauen, das muss dir reichen!“, lache ich zurück und lasse mich wieder in den Stuhl fallen. Es ist warm hier und mein Hemd kann ohne mich besser trocknen. Ich hänge es über die Sofalehne. Die Hose behalte ich an, auch wenn es mit sehr danach ist, auch sie auszuziehen. Ich will nicht, dass Frau Reis wegen mir einen Herzinfarkt
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