ampir-Phantome
abheben.
Das Grinsen auf dem Gesicht fiel ihr auf. Er hatte noch nicht aufgegeben.
Lorna zuckte wieder herum und setzte ihre Flucht fort. Sie hätte nach rechts rennen können, um durch den hinteren Ausgang zu verschwinden. Leider tat sie das nicht. Sie drehte sich nach links und nahm den alten Weg, der ihr besser bekannt war. Es war Routine. Sie lief ihn Tag für Tag, und er führte vorbei an den Boxen, in denen die Tiere standen.
Um diese Zeit waren sie längst von den Weiden geholt worden. Da lief kein Pferd mehr über die Koppel, denn mittlerweile war die Dämmerung über das Land gefallen.
Im Stall brannte Licht. An der Decke hingen die durch Gitter geschützten Lampen, deren Licht sehr schal war und deshalb auch nicht blendete. Es machte die Pferde normalerweise nicht nervös.
An diesem frühen Abend hatte sich das geändert. Die Tiere fanden keine Ruhe. Sie wieherten . Sie trampelten in ihren Boxen unruhig hin und her. Manche schlugen mit ihren Hufen gegen die Türen, und es schien so zu sein, als hätten sie etwas gewittert.
Ja, das Böse. Tiere reagierten empfindlicher als Menschen. Die Unruhe würde auffallen. Irgendwann würde ein Helfer erscheinen und nachschauen, was passiert war.
Nein, er war schon da.
Lorna sah ihn am Ende des Gangs. Kommen sehen hatte sie ihn nicht. Er musste in einer der Boxen gewesen sein, um das Tier dort zu beruhigen.
Aber jetzt war er da.
Crispin war in ihrem Alter. Ein junger Mann mit strohblonden Haaren, der deshalb immer aufgezogen wurde, weil die Pferde seinen Schopf leicht mit dem Heu verwechseln konnten.
Er sah sie.
Und Lorna sah ihn, die nach wie vor den Eindruck hatte, sich durch einen Film zu bewegen.
»Heh, gut, dass du kommst Lorna. Die Pferde sind verdammt unruhig. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber wir sollten verdammt auf der Hut sein.«
»Lauf, Crispin, hau ab!«
»Wie?«
Sie rannte auf ihn zu. »Du sollst abhauen!«, schrie sie ihn an. »Es ist lebensgefährlich hier. Verdammt, ich kann es dir nicht erklären, aber lauf weg!«
Er hörte sie. Nur fand Lorna sein Verhalten seltsam. Er schaute nicht sie an. Er blickte an ihr vorbei, und sie konnte sich vorstellen, wen sie sah.
Neben ihr tobten die Pferde in den Boxen. Sie gebärdeten sich jetzt wie verrückt. Ihre Hufe schlugen gegen die Türen, als sollten diese zerhämmert werden. Aber das Holz hielt. Es war stabil genug. Man musste immer mit irgendwelchen Verrücktheiten der Tiere rechnen. An diesem frühen Abend war es besonders schlimm. Da witterten sie das Böse, das Unheimliche, das nicht in die normale Welt hineingehörte.
Ihr schrilles Wiehern hörte sich an wie der Klang schlecht gestimmter Trompeten, und Crispin tat nichts.
Er stand da wie vereist. Er starrte an Lorna vorbei, die ihn erreicht hatte und ihn als Hindernis einstufte, denn er ließ sie nicht passieren. Sie rüttelte ihn durch, sie wollte ihm ins Gesicht schreien, was passiert war, aber sie hörte nur seine Frage.
»Wer ist das?« Der Satz war staunend ausgesprochen worden und so laut, dass er nicht unterging.
Lorna musste eine Antwort geben. Das war sie sich schuldig. Und sie brüllte die Worte, die sie in ihrem Kopf formuliert hatte. Dabei war es ihr egal, ob sie stimmten oder nicht.
»Es ist der Teufel, Crispin! Verdammt noch mal, es ist der Teufel! Er will dein Blut!«
Der junge Mann verzog das Gesicht zu einem Lächeln. »Unsinn!«
»Nein, das ist es nicht!«
In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie auf Crispin keine Rücksicht nehmen konnte. Sie hatte schon zu viel Zeit vertrödelt. Lorna versuchte, den jungen Mann zur Seite zu wuchten, aber die große dunkle Gestalt in ihrem Rücken war bereits zu nah.
Eine Hand griff zu!
Lorna schrie auf, was im Wiehern der Pferde unterging. Ihr Rücken bildet plötzlich eine Gerade, als man sie in die Höhe riss und sie den Kontakt mit dem Boden verlor.
Wie ein Stück Abfall wurde sie zu Boden geworfen, sodass der Vampir über sie hinwegsteigen konnte. Da sie auf dem Rücken lag, sah sie alles, und das Grauen umschnürte ihr Herz so fest, dass sie sich wunderte, dass es noch schlug.
Die schwarze Gestalt griff nach dem jungen Mann. Crispin wollte schreien. Ihm schien erst jetzt bewusst zu werden, in was für einer Gefahr er schwebte, doch es war nicht mehr möglich. Kein Schrei nach Hilfe drang aus seiner Kehle. Sie war plötzlich verstopft. Nur ein Krächzen wehte hervor, das aber ging unter.
Er wurde hochgehoben. Das bekam die liegende Lorna noch mit, dann drehte
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