Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
ihm einen Schlag auf die Schulter, daß er beinahe die Zuckerdose fallen ließ, die er gerade aus einer Blechdose füllte. «Das tun sie alle, aber was sollen sie sonst auch tun, die dummen kleinen Tiere? Sie können nicht sprechen, nicht wahr? Aber sie müssen dennoch ihre Launen zeigen. Was für eine Katze haben Sie? Eine gewöhnliche Feld-, Wald- und Wiesenkatze oder einen richtigen Aristokraten wie mein Tabby?»
«Einen Siamkater.»
«Ja, die sind auch hübsch. Vor Jahren hatte ich einen. Der Hund vom Nachbarn hat ihn erwischt, als er noch klein war ; er hat ihn im Nacken gepackt und geschüttelt. Als er ihn fallen ließ, war er tot. Innerhalb einer Sekunde war alles vorbei. Seitdem habe ich immer größere Katzen gehabt. Kein Hund würde versuchen, sich mit Tabby anzulegen. Er würde blind und kastriert und mit den Beinen nach oben in der Gracht treiben, wenn er auch nur versuchte, meinen Tabby anzusehen.»
Sie ging wieder ins Wohnzimmer, de Gier folgte mit einem Tablett. Elisabeth machte sich mit den Tassen zu schaffen und holte eine Büchse mit chinesischem Dekor. «Einen Keks, meine Herren?»
De Gier knabberte an seinem Keks und grollte innerlich über den zu süßen Geschmack, als Elisabeth noch einmal aufstand und eine Schublade öffnete. «Hier, Commissaris, wie findest du das? Hab ich das nicht gut gemacht? Hundertfünfzig Stunden schwere Arbeit, ich hab die Zeit kontrolliert, aber die Mühe hat sich gelohnt, nicht wahr?»
Der Commissaris und de Gier bewunderten den Klingelzug, den Elisabeth vor ihren Augen baumeln ließ. Er hatte ein sich wiederholendes Rosenmuster in Kreuzstickerei. «Ich hab ihn mit dem Material gesäumt, das du mir in der kleinen Plastiktüte gebracht hast. Die verstehen es heutzutage, nicht wahr? Als ich noch ein kleines Mädchen war, mußte man seinen Stoff meterweise kaufen, selbst wenn man nur ein kleines Stückchen brauchte, aber jetzt wird alles in handlichen Packungen angeboten. Die Größe ist auch gerade richtig. Jetzt muß ich nur noch ein paar Kupferverzierungen suchen und sie annähen und dann dort drüben aufhängen, neben die Tür. Das ist genau der richtige Platz dafür. Vielleicht besorge ich mir auch noch eine Messingklingel, dann ziehe ich daran und der Diener kommt. Hahaha.»
«Das hast du wunderschön gemacht, Elisabeth», sagte der Commissaris. «Nein, leg ihn nicht weg. Ich möchte ihn mir richtig ansehen.
Meine Frau macht etwas Ähnliches. Auf Leinen, sagte sie, glaub ich, auf reinem Leinen.»
«Auf Leinen kann ich nicht mehr arbeiten», sagte Elisabeth traurig, «nicht einmal mit einer Lupe. Wenn das Muster nicht auf den Stoff gedruckt ist, kann ich es nicht verfolgen; auf Leinen muß man die Stiche zählen, nach einem Diagramm. Ich hab das auch schon gemacht, aber jetzt bekomme ich Kopfschmerzen, wenn ich es versuche. Wir werden alt. Es war sehr aufmerksam von dir, mir das Handarbeitspäckchen für den Klingelzug zu schenken, Commissaris. Es ist gut, daß du eine alte, alleinstehende Frau nicht vergißt.»
«Ich besuche dich gern», sagte der Commissaris, «und ich würde öfter kommen, wenn ich nicht so viel zu tun hätte und meine Beine mir nicht so zu schaffen machten, aber ich bin heute abend nicht zu einem gemütlichen Beisammensein gekommen. Deshalb hab ich den Brigadier mitgebracht. Er ist Kriminalbeamter, und wir sind dienstlich unterwegs. Im Recht Boomssloot hat es heute nachmittag einen Totschlag gegeben.»
«Totschlag? Mit den Unruhen hatte er nichts zu tun, wie ich annehme? »
«Nein. Man hat einem Mann das Gesicht zerschmettert. Abe Rogge, ein Straßenhändler. Das Haus ist in der Nähe, vielleicht kennst du den Mann.»
«Dieser hübsche Mann mit dem blonden Bart? Ein großer Bursche? Mit goldener Halskette?»
«Ja.»
«Ich kenn ihn.» Elisabeth spitzte den Mund. «Er hat sich mit mir unterhalten. Oft. Er hat mich hier sogar besucht. Er hat einen Stand auf dem Markt in der Albert Cuypstraat, nicht wahr?»
«Er hatte.»
«Ja, ja. Er ist umgebracht worden? Was für eine Schande. Wir haben hier kein Verbrechen mehr gehabt, so weit mein Gedächtnis zurückreicht. Keins mehr, seit sich die beiden verrückten Seeleute vor vielen, vielen Jahren geschlagen haben, und ich glaube nicht, daß sie jemals angeklagt wurden. Ich hab sie auseinander gezerrt, und einer ist ausgerutscht und in die Gracht gefallen.»
Sie rieb sich belustigt die Hände. «Vielleicht hab ich ihn ein bißchen geschubst, wie? Hihihihi. Naja, irgendwann ist immer das
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