An den Feuern von Hastur - 9
ich es f ü r besser hielte, bei der Lehrerin weiterzulernen unter der ich mein Studium angefangen habe? Fiora ü berdachte das, die H ä nde im Schoß gefaltet. Eine interessante Frage und eine, die, von diesem M ä dchen geteilt schon fast zu scharfsinnig war. Sprach daraus Angst vor dem Unbekannten oder eine gewisse Faulheit oder einfach ein Widerstreben vor der Ver ä nderung? Oder hatte Leonie nur aus m ü ßiger Neugier gefragt, um festzustellen, welche anderen M ö glichkeiten ihr offenstanden? Ich w ä re die erste, die dir sagen w ü rde, daß ich nicht die beste Lehrerin f ü r dich bin. Und ich bin mir gar nicht sicher, daß ich f ä hig w ä re, dich gen ü gend herauszufordern, um dein volles Potential zu entfalten. Aber wenn das wirklich dein Wunsch sein sollte, k ö nnte dein Bruder vielleicht statt nach hier nach Neskaya gesandt werden.
Leonie sch ü ttelte den Kopf. Nein, ich gehe gern nach Arilinn. Ich wollte es nur wissen, Fiora. Heute empfinde ich viel mehr Achtung vor Euch als in der ersten Zeit meines Hierseins. Ihr seid gerecht gewesen und habt mehr als anst ä ndig gehandelt, als ich schrecklich ungezogen war. Bitte, haltet mich nicht f ü r undankbar. Aber ich . oh, ich w ü nsche es mir so, nach Arilinn zu gehen!
Fiora hob ihre blinden Augen und l ä chelte. Es war also nur Neugier gewesen. Auch gut, denn vor dem M ä dchen lagen sehr viel Arbeit, Schmerz und Opfer. Ich danke dir, Leonie. Ich glaube, du wirst deine Sache in Arilinn sehr, sehr gut machen. T ä ts ä chlich glaube ich, daß aus dir eine bemerkenswerte Bewahrerin wird. Wie bald kannst da abreisen?
Leonie stand eifrig auf. Sie w ü nschte, sie w ä re schon dort! Wann immer es Euch beliebt.
Fiora zupfte an der Wolle des Schaffells auf ihrer eigenen Bank und sp ü rte die lockigen Fasern in ihren empfindsamen Fingern. Du mußt dich noch von den j ü ngeren M ä dchen verabschieden, denn danach wird dir nicht mehr erlaubt sein, Freunde oder Verwandte zu sehen, bis deine Ausbildung kurz vor dem Abschluß steht — und das mag Jahre dauern.
Es tut mir leid, von Euch Abschied nehmen zu m ü ssen, Fiora. Leonie blickte auf ihre H ä nde hinunter.
Wieder l ä chelte Fiora, und es war ein herzliches L ä cheln. Danke, daß du das gesagt hast, Leonie. Auch mir wirst du fehlen, meine Liebe. Du hast f ü r mich eine st ä ndige Herausforderung dargestellt, das versichere ich dir! Aber du bist zu begabt — und f ü r uns in den T ü rmen zu wertvoll —, als daß wir dich vergeuden d ü rften, indem wir dir andere als die besten Lehrer geben. Sie strich uber die Falten ihres Gewandes und gl ä ttete nicht vorhandene Kniffe. Du wirst bei Tagesanbruch mit einer Eskorte aufbrechen, die Arilinn geschickt hat. Die Bewahrerin von Arilinn ist Marelie. Sie ist eine deiner Verwandten, obwohl du sie nie kennengelernt hast. Auch sie ist eine Hastur. Sie wird deine Erziehung zur Bewahrerin pers ö nlich leiten. Ich muß dich warnen, daß das Studium noch h ä rter sein wird, als du glaubst. Marelie ist von Natur aus strenger als ich, und sie meint, in deinem Alter h ä ttest du schon seit mindestens vier Jahren in der Isolation sein m ü ssen. Du wirst vieles nachzuholen haben, und es wird bestimmt sehr schwer f ü r dich sein. Ich erinnere mich lebhaft an meine eigene Ausbildung, und ich habe im ü blichen Alter damit angefangen. Was Marelie mit dir im einzelnen vorhat, weiß ich nicht.
Wirklich, Fiora, es spielt keine Rolle , erwiderte das junge M ä dchen mit einer Festigkeit, die weder seinem Alter noch seiner gelegentlichen Impulsivit ä t entsprach. Dies habe ich mir so lange Zeit gew ü nscht. Ich . ich weiß kaum, was ich sagen soll.
Fiora l ä chelte vor sich hin. Es war ihr doch tats ä chlich gelungen, Leonie sprachlos zu machen, und das passierte dem M ä dchen vielleicht zum erstenmal im Leben.
Es wird ihr noch ö fters die Sprache verschlagen, sobald Marelie sie in ihre Obhut genommen hat. Ich bezweifele, daß die Bewahrerin von Arilinn es billigt, wenn jemand in ihrem Turm ohne Erlaubnis am Wetter herumpfuscht. Und ich bezweifele, daß sie dar ü ber oder uber Leonies kecke Art, sich ohne ü berwachung in die ü berwelt zu wagen, lachen kann.
Es gibt auch keinen Grund, warum du etwas sagen solltest , antwortete Fiora. Aber ich muß dich warnen. Du bist bisher sehr nachsichtig behandelt worden, und es war vielleicht verkehrt, daß man dir alle deine Launen hat durchgehen lassen. Damit ist jetzt Schluß. Wir stehen alle unter Befehl,
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